Auch wenn sich die Rundfunkgebühr nicht ändert: bei ARD und ZDF muss sich etwas ändern

ZDF und alle ARD-Sender haben für das laufende Jahr Defizite angekündigt. Das ZDF geht von einem Minus von gut 75 Millionen Euro aus, der WDR von knapp 54 Millionen, der Bayerische Rundfunk von 37 Millionen; beim SWR sind es 30 Millionen Euro. Hauptursache sind laut Senderangaben vor allem Mehrausgaben, die durch die Übertragungen der Fußball-Europameisterschaft und der Olympischen Spiele entstehen. Müsste also nicht die Rundfunkgebühr erhöht werden?

 

Die KEF (Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Anstalten) legte dazu heute ihre Empfehlung vor.

Die große Mehrheit kann aufatmen: Erstmals seit 43 Jahren soll es keine Gebührenerhöhung geben. Die Rundfunkgebühr soll dann als Rundfunkbeitrag bei 17,98 Euro/Monat bleiben. Begründet wird dies unter anderem damit, dass sich nicht genau errechnen lässt, welche Einnahmen das neue Rundfunkbeitragsmodell bringen wird. Im letzten Jahr erzielte die GEZ Einnahmen von 7,54 Mrd. Euro, in 2009 waren es 7,6 Mrd. Euro. Es scheint also, dass die Einnahmen sinken. Doch im Vergleich zum Jahre 2008, also vor der letzten Gebührenerhöhung, sind es 300 Mio. Euro mehr. Und es sind immerhin noch 200 Mio. Euro mehr, als die KEF bei ihrer letzten Gebührenberechnung im 16. KEF-Bericht angenommen hat.

Diese Mehreinnahmen müssen verrechnet werden. Sollte mehr eingenommen werden, steht das Geld den Anstalten nicht frei zur Verfügung. Die KEF muss die zusätzlichen Einnahmen bei der nächsten Beitragsberechnung berücksichtigen. Dies macht sie in diesem Fall noch nicht, da die Gebührenperiode noch nicht beendet ist. Allerdings nimmt sie an, dass in der nächsten Gebührenperiode die Sender 581 Mio. Euro mehr einnehmen, als sie geplant haben. Die KEF könnte bei entsprechenden Mehreinnahmen den Beitrag sogar senken, wenn diese Mehreinnahmen nicht für andere medienpolitische Ziele verplant sind: „Es ist ein offenes Geheimnis, dass verschiedene Ministerpräsidenten mit einem Paradigmenwechsel liebäugeln. Sollten die Einnahmen deutlich steigen, könnte es sein, dass die Medienpolitik ein Angebot macht, das ARD und ZDF nicht ablehnen können: Die Sender bekommen das Geld in voller Höhe, müssen im Gegenzug aber nach und nach auf jegliche Werbung verzichten. … Von 2017 an könnte der öffentlich-rechtliche Rundfunk komplett werbefrei sein“, so Tilmann Gangloff in der Stuttgarter Zeitung.

Doch aktuell ändert sich für die große Mehrheit der Gebührenzahler nichts. Allerdings bleibt der Rundfunkbeitrag nicht für alle gleich:

Mehr als 775.000 Personen mit Behinderungen, die bislang von Rundfunkbeiträgen befreit waren, wird der Nachteilsausgleich gestrichen. Sie sollen in Zukunft ein Drittel des Rundfunkbeitrags zahlen.

Hunderttausende von Fernpendler, die eine zweite Wohnung mieten, um Beruf und Lebensraum besser zu verbinden, sind künftig gezwungen, doppelte GEZ-Gebühren zu zahlen.

Über eine Million Menschen, die bisher keinen Rundfunk nutzten, müssen die volle Gebühr zahlen.

Für 2,3 Millionen Nur-Hörfunk-Teilnehmer verdreifacht sich die Gebühr. Dies trifft auch auf die über 150.000 Menschen zu, die unabhängig davon, ob sie Rundfunk nutzen, heute schon die „PC-Gebühr“ zahlen.

Unklar ist bis heute die Situation für Hunderttausende Kleingärtner, die nach dem Gesetzestext die doppelte Gebühr zahlen müssen. Sie erwarten von den Ministerpräsidenten, dass diese dafür sorgen, dass ihre Zusage, dass Kleingärten nicht mit einem Rundfunkbeitrag belastet werden.

Schon heute ist klar, dass ab 1. Januar 2013 alle den Rundfunkbeitrag zahlen müssen – und dies unabhängig davon, ob sie überhaupt Radio oder Fernsehen nutzen. Wenn jedoch alle zahlen müssen, dann müssen ARD und ZDF auch allen etwas bieten – und dies nicht nur zu nachtschlafener Zeit. Davon sind sie weit entfernt. Zu viele interessante und aufklärerische Sendungen haben sie in die Nacht verbannt. Ganz Genre, wie den Kurzfilm, den unformatierten Dokumentarfilm oder auch den Animationsfilm für Erwachsene, werden von ARD und ZDF vernachlässigt.

Die letzten Jahre haben gezeigt, dass ARD und ZDF zu oft nur den gesellschaftlichen Mainstream abgebildet haben. So gab es im Vorfeld der Finanzkrise 2008 kaum kritische Beiträge zu den Entwicklungen. Dadurch ist man dem Auftrag, „die Meinungsvielfalt“ zu berücksichtigen (Rundfunkstaatsvertrag, § 11 Auftrag) nicht gerecht geworden.

Unabhängige öffentlich-rechtliche Sender dürfen nicht nur ein Abbild der gesellschaftlichen Debatte liefern. Die Sender müssen sich vom Quotendiktat lösen. Es geht nicht zuallererst um Marktanteile, sondern um gesellschaftliche Reichweite.

Mit dem letzten Gebührenstaatsvertrag aus dem Jahre 2008 gab die Ministerpräsidenten zu Protokoll, dass sie erwarten, „dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Bereich Film- und Fernsehproduktionen Unternehmen sowie Urhebern und Leistungsschutzberechtigten ausgewogene Vertragsbedingungen und eine faire Aufteilung der Verwertungsrechte gewähren soll.“ Sie wollten die Vielzahl und die Vielfalt in Medienlandschaft stärken.

Bisher hat sich für die Mehrzahl der klein- und mittelständischen Unternehmen nichts verbessert. ARD und ZDF diktieren ihnen die Preise, verlangen mehr Verwertungsrechte, ohne diese entsprechend zusätzlich zu vergüten.

Und so wird deutlich: Sozial Schwache sowie die kleinen und mittleren Rundfunkproduzenten sind die Verlierer der aktuellen Medienpolitik. Eine lebendige Demokratie braucht Aufklärung und mehr Vielfalt, vor allem bei ARD und ZDF.

 

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