MDR: Tatort-Kommissare flüchten – Prinzip der Ausschreibung gescheitert?

Thüringer Allgemeine (07.01.2015): „Es wird vorerst keinen weiteren „Tatort“ aus Erfurt geben. Die Gerüchte um das Aus verbreiten sich rasant in den Sozialen Netzwerken.“

 

Mitteldeutsche Zeitung (07.01.2015): „Die Initiative ist dabei von den Schauspielern ausgegangen.“

 

MDR-Fernsehfilmchefin Jana Brandt erklärte laut Matthias Dell erst kürzlich in einem Interview auf die Frage, warum das jüngste „Tatort“-Team aller Zeiten in so bräsiger Umgebung auftritt: „Das ist ein Kritikpunkt, den ich nicht nur von außen wahrgenommen habe, das hat auch uns redaktionell beschäftigt. Noch weit bevor der [erste] Film an die Öffentlichkeit kam.“

 

Michael Smeaton von der Produktionsfirma auf die Frage des Kölner Stadtanzeigers (19.12.2014), ob die Ausschreibung eines „Tatorts“ ein gutes Modell sei: „In dem Fall war es gut, weil wir gewonnen haben. Aber generell halte ich das für ein schlechtes Modell. Es ist sehr unpraktikabel – nicht nur für die Produzenten. Wir hatten 80 Mitbewerber, die sich alle mit dem Pitch für diesen „Tatort“ beschäftigt haben. Die ziehen dann viel Energie im eigenen Laden ab. Und der Fernsehsender muss diesen Wust an Ideen auswerten. Das ist ein Aufwand, der in keinem Verhältnis steht zu dem, was gewollt ist. Der MDR hat das gemacht, um Transparenz zu gewährleisten. Aber grundsätzlich sollte doch eine gute Idee tragen.“

 

Matthias Dell fragt auf SpOn: „Warum fällt es Menschen, deren Beruf es ist, Filme zu produzieren, so schwer, wenigstens mittelmäßige Projekte zu realisieren, die nicht unangenehm auffallen und die Schauspieler bei Laune halten? Wäre der „Tatort“ tatsächlich ein Politikum, würden an dieser Stelle Rücktrittsforderungen laut.“

 

David Denk stellt in der Süddeutschen Zeitung (08.01.2015, nicht online) fest: „Mit dem Erfurter Tatort ist auch der Versuch des MDR gescheitert, die Entwicklung eines neuen Teams outzusourcen: Anstatt eigene Redakteure damit zu betrauen, schrieb der Sender den Auftrag erstmals in der Tatort-Geschichte öffentlich aus und entschied sich aus etwa 100 Einreichungen für das Konzept der FFP New Media. Für die Premiere engagierte die Produktionsfirma dann ausgerechnet Thomas Bohn, dessen überschaubare Verdienste um den deutschen Fernsehfilm vor allem auf den gnädig vergessenen Video-Optik-Tatort mit Robert Atzorn zurückgehen.“

 

Alina Levshin hatte schon Tage zuvor in der Neuen Osnabrücker Zeitung (03.01.2015) gesagt: „Ich versuche, nicht mit der Denkstruktur daranzugehen, dass der „Tatort“ so eine große Tradition ist und man aufpassen muss, was man abliefert. Viele Dinge können wir Schauspieler auch gar nicht beeinflussen, das entscheiden die Produktion und der Sender. Für mich sind meine Figur und die Konstellation im Erfurter „Tatort“ interessant. Ich wollte wissen, was kann ich daraus mitnehmen und benutzen, und ich wollte auch das Genre Krimi kennenlernen.“

 

Der Filmverband Sachsen hatte vor zweieinhalb Jahren die Vergabe an die Produktionsfirma kritisiert und dem MDR vorgeworfen, eine Chance nicht genutzt zu haben. (04.08.2012)

 

Eine grundsätzliche Kritik an der Programmierung der Tatorte in der Weihnachtszeit äußerte Joachim Huber im Tagesspiegel (27.12.2014): Fünf Premieren in 14 Tagen ist des „Tatorts“ Tod: Schon am zweiten Weihnachtsfeiertag sprangen die Zuschauer ab. Ein „Tatort“ ist und will ein besonderes Fernsehstück sein. Eines, für den sich zehn und mehr Millionen Zuschauer den Sonntagabend frei halten. Lineares Fernsehen, das sich gegen den Ansturm der Mediatheken und Streaming-Portale lässig behauptet. Ein Wert ist, dass der Krimi eine Reihe mit Variation ist.

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Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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