Rot-Schwarzes Doppel gegen Digitalkanäle von ARD und ZDF

Schon im Dezember letzten Jahres, kurz vor Weihnachten, hatte Kurt Beck in einem Interview mit dem in Berlin erscheinenden Medienmagazin Promedia die Digitalkanäle von ARD und ZDF in Frage gestellt. Bisher strahlen ARD und ZDF jeweils drei Kanäle aus. In Zukunft sollen sie sich jeweils auf ein einziges Programm konzentrieren. Er sagte: „Auch sehe ich keine Notwendigkeit, neben den hervorragenden Kultursendern Arte und 3sat zwei weitere öffentlich-rechtliche Kulturkanäle anzubieten.“

Daraufhin gab es nicht nur die erwartete Kritik von ARD und ZDF. Der Medienjournalist Peer Schrader machte deutlich, welche Unterschiede es zwischen den einzelnen Kanälen gibt und warum sie nicht mit anderen fusioniert werden können. Er stellte auf faz.net fest, dass zdf.kultur „von 3sat und Arte so weit weg ist wie – sagen wir: Medienpolitiker von der Fernbedienung, und dass die Konzepte von Eins Extra und zdf.info, so sehr man sie auch kritisieren kann, Phoenix zum implodieren brächten, wenn man die Ideen dort auf Sendung gehen ließe.“

Die Digitalkanäle hätten ARD und ZDF „die Panik davor genommen, immer gleich den kompletten Quotenabsturz beim Stammpublikum zu riskieren, nur weil mal jemand was anders macht als die Mehrheit der Zuschauer es erwartet.“ Das Problem sei, dass „die Kanäle gleichzeitig als Ausrede dafür funktionieren, im Hauptprogramm nichts verändern zu müssen.“

Letzte Woche nun, am Montag, sprach sich, wiederum in Promedia, auch der Chef der sächsischen Staatskanzlei, Johannes Beermann (CDU), dafür aus, die Zahl der öffentlich-rechtlichen Spartenkanäle einzuschränken. „Die Digitalkanäle sollten ohne zusätzliche Kosten entstehen. Das ist offensichtlich fehlgeschlagen.“ Erstmalig übernimmt ein Politiker die Verantwortung und zeigt den Weg, die Digitalkanäle zu reduzieren. „Politik hat die Digitalkanäle beauftragt. Politik kann sie wieder zurücknehmen. Dafür gibt es eine breite Mehrheit“, sagte Beermann. Nun, die breite Mehrheit, die „große Koalition fürs Abschalten“ (taz) gibt es anscheinend in der Medienkommission der Länder. Dies reicht für gesetzliche Veränderungen. Dass es diese Mehrheit anscheinend gibt, kann aus einem Beitrag von Kurt Beck für epd medien geschlossen werden. Da zeigt er, dass er aus den ersten Reaktionen auf seinen Dezember-Vorschlag gelernt hat. Nun leitet er medienpolitisch ab, warum es weniger Digitalkanäle geben muss.

ARD und ZDF sollten ihren gemeinsamen Informationskanal Phoenix stärken. Auch die Kultursender ARTE und 3Sat sollten nicht länger von weiteren öffentlich-rechtlichen Kulturkanälen „kannibalisiert“ werden. ARD und ZDF müssten ihre Kräfte konzentrieren. So bringt er seinen Vorschlag in neuem Gewand. Und schon wird mit dem alten Vorschlag neu und anders umgegangen. Ein Sprecher des ZDF nannte es gegenüber dem Medienmagazins des DLF „Markt und Medien legitim, dass ein Medienpolitiker über Weiterentwicklungen in der Medienpolitik nachdenke.

Zuerst geht er auf ARD und ZDF ein und bietet ihnen „den Weg zu einem ergänzenden Angebot kostenpflichtiger Apps“. Diese müssen jedoch „einen echten Mehrwert über das durch Gebühren finanzierte Angebot hinaus ergeben.“ Doch sind diese nicht durch Gebühren finanziert? Wäre es möglich, diese ohne gebührenfinanzierten Rundfunk im Rücken zu machen? Hieß es nicht immer, dass die Sender ihre Programme auch im Netz kostenlos verbreiten wollen, weshalb man gegen jegliche Verschlüsselung war?

Zweitens bietet er dem ZDF an, in ZDFneo auch „zielgruppenadäquate Nachrichten“ zu senden. „Die Länder müssten zudem bereit sein, einen Konstruktionsfehler der Beauftragung zu beseitigen. Damals war mit Rücksicht auf private Interessen davon abgesehen worden, Nachrichten zu beauftragen. Eigentlich kaum vorstellbar für einen öffentlich-rechtlichen Sender.“

Drittens bietet er der ARD an, einen Jugendkanal zu entwickeln. „Natürlich darf er am Ende unter Marketinggesichtspunkten nicht so genannt werden.“ Wieso eigentlich nicht? „Er sollte von der Zielgruppe anschließen an den erfolgreichen Kinderkanal, also bei den etwa 14-Jährigen, und bei den etwa 25-Jährigen konzeptionell enden.“

Kurt Beck glaubt, dass dies alles nicht ohne zusätzlichen Finanziellen Aufwand möglich ist. „Sollten sich ARD und ZDF in der oben beschriebenen Weise weiterentwickeln und zugleich in ihrem Ringen um qualitätsvolle Hauptprogramme und die Dritten nicht nachlassen, muss die Frage beantwortet werden, wie dies vor dem Hintergrund der finanziellen Restriktionen, vor die sich die Anstalten gestellt sehen, zu meistern ist.“

Allerdings sieht er auch keine Chance für Gebührenerhöhungen. „Ich habe neulich darauf hingewiesen, dass es kaum Spielraum für weitere Gebührenerhöhungen gibt.“ Daraus ergibt sich für ihn, dass „man sich von Liebgewordenem trennen“ muss. Und: „So könnte man sich beispielsweise vorstellen, dass ARD und ZDF ihre Infokanäle aufgeben.“ Weiter: „Noch eindeutiger scheint mir die Situation bei den Kultursendern zu sein. Es gibt künftig keinen vernünftigen Grund mehr, sich weitere die herausragenden Kultursender ARTE und 3sat kannibalisierende öffentlichrechtliche Kulturkanäle zu leisten.“

Sicher kann er behaupten, dass Phoenix, ARTE sowie 3sat gut eingeführte Marken sind. Allerdings stimmt es nicht, dass diese so viel besser als die Digitalkanäle genutzt werden. Wenn die einen „an der Wahrnehmungsgrenze“ arbeiten, machen es die anderen auch.  Deshalb wohl schiebt er ein weiteres Argument nach und verweist darauf, dass „die sogenannten Digitalkanäle in einer bestimmten Situation entstanden. Ihre Fortentwicklung aus den ehemaligen Spartenkanälen sollte die – heute weitgehend abgeschlossene – TV-Digitalisierung fördern. Die Zeit ist auch darüber hinweggegangen, dass diese Kanäle für die Breite eines sendungsbezogenen Internetangebots durchaus ihre Bedeutung hatten.“

Es ging also darum, einer Technologie zum Durchbruch zu verhelfen? Nun ist es geschafft, nun sollen die Sender diese Kanäle nicht mehr nutzen. Er äußert keine inhaltliche Kritik an den Programmen, er meint nur, dass die Sender eben Einsparungen leisten müssen – und dies geht wohl am einfachsten bei den Digitalkanälen. Dabei baut gerade RTL sein Digitalkanalangebot mit RTL Nitro aus. „Aber hält man neue Schwerpunkte für richtig, dann müssen andere überprüft werden. Alles auf einmal, das geht nicht und ist nicht vertretbar.“

Als letzte Verteidigung verweist er darauf, dass er eine medienpolitische Diskussion anstoßen will, die „2014/2015 zu staatsvertraglich verankerten Veränderungen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk führen“ soll. Dabei müsse man sich Fragen stellen, wie: „Wie den Auftritt im Netz weiter attraktivieren? Wie kann der Generationenabriss verhindert werden? Wie werden vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk alle sozialen Schichten und Altersgruppen der Gesellschaft erreicht?“

Es ist doch aber vor allem zu fragen, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk weiter der „Demokratie dienen“ kann? Wie muss er aufgestellt sein, um noch einen Beitrag zur öffentlichen Meinungs- und Willensbildung zu leisten? Würde man nicht viel Geld sparen, wenn man anstatt der Digitalkanäle die DRITTEN Programme reduzieren würde?

Kurt Beck sieht, dass der „öffentlich-rechtliche Rundfunk vor allem bei den Tageszeitungen, aber auch bei neuen Akteuren im Netz Partner (hat), mit denen es sich lohnt, eine verstärkte Zusammenarbeit auszuloten.“ Doch sind dies nicht auch Konkurrenten, also nur Partner auf Zeit?

Geht es der „großen Koalition“ der Medienpolitik noch um einen unabhängigen Rundfunk, der der Demokratie dient? Es sieht nicht so aus. Die Gebühr soll als Beitrag nicht mehr steigen. ARD und ZDF sollen mit Tageszeitungen und Netzunternehmen kooperieren.

Dadurch, dass er seinen alten Vorschlag in das Gewand einer medienpolitischen Diskussion gekleidet hat, bricht Kurt Beck den Widerstand und Widerspruch von ARD und ZDF die Spitze. Dies zeigt, dass diese auch keine Vision haben, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk im digitalen Zeitalter haben, welche Aufgaben er erfüllen, welche Programme er also anbieten soll. 

 

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Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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