Zitiert: Wie weiter nach der Ablehnung der Beitragserhöhung – Das Bundesverfassungsgericht 2007 im Gebührenurteil

1. Die Abweichung von der Bedarfsfeststellung durch die angegriffene Gebührenfestsetzung beruht insgesamt auf den festgestellten verfassungsrechtlichen Mängeln. Denn es ist nicht auszuschließen, dass der Gesetzgeber bei Beachtung der grundrechtlichen Anforderungen eine höhere Gebühr festgesetzt hätte (vgl. zu diesem Maßstab für das Beruhen: BVerfGE 104, 92 <114>).

Dies ergibt sich daraus, dass die vom Gesetzgeber zur Begründung für diese Abweichung angeführten Erwägungen vor der Rundfunkfreiheit insgesamt keinen Bestand haben. Die in der maßgeblichen staatsvertraglichen Begründung zu Art. 6 Nr. 4 8. RÄndStV in den Buchstaben a bis d benannten Erwägungen sind kumulativ nebeneinander aufgeführt, ohne dass erkennbar wird, dass eine von ihnen allein die gesamte Abweichung selbständig tragen soll. Das Bundesverfassungsgericht hat die in der Kumulation unterschiedlicher Gründe zum Ausdruck gelangte Einschätzung des Gebührengesetzgebers, dass diese Erwägungen in ihrem Zusammenwirken den Gesamtbetrag der Mindereinnahmen – von voraussichtlich rund 440 Millionen Euro – rechtfertigen sollen, seiner verfassungsrechtlichen Bewertung zugrunde zu legen. Auf der Grundlage dieser Annahme ist nicht auszuschließen, dass der Gesetzgeber einen niedrigeren Abweichungsbetrag gewählt hätte, wenn ihm die Verfassungswidrigkeit auch nur eines der aufgeführten Gründe bewusst gewesen wäre.

2. Die verfassungsrechtlichen Mängel der angegriffenen Gebührenfestsetzung führen vorliegend nicht zur Nichtigkeit der Gesamtregelung, weil der dadurch herbeigeführte Zustand dem Grundgesetz noch ferner stünde als der bisherige (vgl. BVerfGE 83, 130 <154>; 85, 386 <401>; 90, 60 <104 f.>). Bei einer Nichtigkeit des § 8 RFinStV entfiele die Rechtsgrundlage für die Höhe der Rundfunkgebühr.

3. Eine rückwirkende Gebührenerhöhung scheidet zur Wiederherstellung eines verfassungsgemäßen Zustands aus. Soweit Beeinträchtigungen für die Rundfunkfreiheit dadurch eingetreten sind, dass der Gesetzgeber ohne eine verfassungsrechtlich tragfähige Begründung von der Bedarfsfeststellung abgewichen ist, lassen sie sich weder durch eine rückwirkende Anhebung der Rundfunkgebühr noch durch eine Verpflichtung zum künftigen Ersatz der bisher entgangenen Gebühren ausgleichen. Denn eine möglicherweise durch das Fehlen hinreichender Mittel ausgelöste Verschlechterung des Programmangebots ließe sich angesichts der Zeitgebundenheit der Wirkungen des Rundfunks nicht schlicht durch eine entsprechende finanzielle Mehrausstattung in späteren Zeiträumen kompensieren.

Angesichts der Besonderheiten des Verfahrens einer staatsvertraglichen Gebührenfestsetzung erscheint es unwahrscheinlich, dass die Neuentscheidung über die Gebühr für den verbleibenden Zeitraum der laufenden Gebührenperiode kurzfristig erfolgen kann. Da die neue Periode schon am 1. Januar 2009 beginnt, erscheint es verfassungsrechtlich hinnehmbar, bis dahin von einer Neufestsetzung der Gebühr abzusehen. Allerdings muss bei der neu festzusetzenden Gebühr gewährleistet werden, dass den Anstalten ein Ausgleich gewährt wird, falls ihnen auf der Grundlage der verfassungswidrigen Festsetzung der Gebühr für die laufende Periode Mittel – etwa für nötige Investitionen – entgangen sein sollten, deren Bezug nach ihren früheren Bedarfsanmeldungen und den Feststellungen der KEF bereits in dem verstrichenen Gebührenzeitraum erforderlich war, um die künftige Erfüllung des Rundfunkauftrags sicherzustellen. Es ist Aufgabe der KEF zu überprüfen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein solcher Bedarf fortbesteht und ob er eine entsprechende Erhöhung in der Zukunft erforderlich macht.

BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 11. September 2007  – 1 BvR 2270/05 – Rn. (1-213), online

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