Wenn sich Studierende an einer Kunsthochschule mit Fotografie beschäftigen, lernen sie als Erstes, zwei Aspekte eines Fotos zu betrachten. Zum einen die Form eines Bildes. Darunter fällt seine Komposition. Und dann gibt es aber auch noch den Bildinhalt: Was genau zeigt das Bild? Und wie verbinden sich Form und Inhalt, um den Gesamtausdruck eines Fotos zu kommunizieren?
Im Guardian-Artikel gibt es keine tieferen Überlegungen darüber, was genau das Foto zeigt, was es bedeuten könnte, was es bewirken könnte. Wie kann das sein? Konkreter gefragt: Wie kann es sein, dass sich Menschen, deren Beruf es ist, sich mit Fotografien kritisch auseinanderzusetzen, in so einem Augenblick den vielleicht wichtigsten Aspekt des Bildes ignorieren: Welche Wirkungsmacht wird dieses Bild eines Mannes haben, der bereits einmal versucht hat, die demokratischen Prozesse seines Landes während einer tiefen politischen Krise aufzuhalten?
Anders gefragt: Wäre es nicht geboten gewesen, ein anderes, weniger dramatisches Bild auszuwählen? Ich erinnere mich zum Beispiel an ein Foto eines Schuhs, den Trump auf der Bühne verloren hatte. Die tiefe politische Krise der USA betrifft alle Bürger:innen. Das beinhaltet auch Fotograf:innen, Bildredakteur:innen und andere Journalist:innen. Die Idee eines unparteiischen Journalismus, so gut sie auch gemeint ist, versagt in dem Augenblick, in dem die Demokratie auf dem Spiel steht und, um das nebenher noch zu erwähnen, die freie Presse von Leuten wie Trump als Feind bezeichnet wird. Als vermeintlicher Feind neutral sein zu wollen, ist bestenfalls naiv. Ich halte es für grob fahrlässig.