Es wird heute aus völlig anderem Gründen fotografiert als im 19. Jahrhundert. Es ist nicht mehr das Festhalten von etwas, was da draußen ist, sondern das Festhalten von sich selbst als einem, der da ist. Die meisten Leute fotografieren sich selbst. Im Jahrhundert, als die Fotografie erfunden wurde – möchte ich mal als These formulieren –, entstehen vielleicht ein Dutzend Selbstportraits. Nicht man selbst, sondern die Welt war dazu da, fotografiert zu werden, auch um sie weiterzugeben, weil nicht jeder reisen konnte. Das Fotografieren war ein Zurschaustellen der Welt.
Wim Wenders, berliner-zeitung.de, 28.06.2025 (online)