Zitiert: Wählerwille ist ein starkes Wort

Welche Koalitionen sich Wählerinnen und Wähler wünschen, schreiben sie auf ihrem Wahlzettel nicht dazu. Trotzdem wissen manche Politikerinnen und Politiker ganz genau, was die Deutschen jetzt angeblich wollen.

Dabei nennt die Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach den „Wählerwillen“ im „Spiegel“ einen „Mythos“. Im besten Fall entspringt er einer Sehnsucht nach Einfachheit. Im schlimmsten Fall ist es eine von Populisten missbrauchte Floskel, die demokratische Prinzipien in Frage stellt: Eine repräsentative Demokratie beruht auf Vielfalt und Kompromissen, keinem einheitlichen Willen aller.

„Wille“ ist ein starkes Wort. […]  Alle möglichen Experten, Politiker und Journalisten scheinen genau zu wissen, was die Wählerinnen und Wähler wollen. Als hätten die nicht nur eine Erst- und Zweitstimme vergeben, sondern auch noch ein Post-it neben ihre Wahlkreuze gepappt: „Ich wähle Partei X vor allem, damit sie später mit Y koaliert, aber auf keinen Fall mit Z.“ […]

Von einem einheitlichen Wählerwillen zu sprechen, ist also absurd, aber nützlich. Das Wort suggeriert eine Autorität der Wählerschaft, der sich die Politikerinnen und Politiker angeblich nur beugen. Tatsächlich platzieren sie diese Autorität aber selbst genau dorthin, wo sie ihnen am besten in den Kram passt.

Annika Schneider, uebermedien.de, 05.03.2025 (online)

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Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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Auf seinem YouTube-Kanal „Ryan ToysReview“ testet der kleine Amerikaner Ryan seit März 2015 allerhand Spielzeug. Die Beschreibung des erfolgreichen Channels ist simpel: „Rezensionen für Kinderspiele von einem Kind! Folge Ryan dabei, wie er Spielzeug und Kinderspielzeug testet.“ Ryan hat 17 Millionen Abonnenten und verdient 22 Millionen Dollar im Jahr. Berliner Zeitung, 04.12.2018 (online)