CASE veröffentlichte 2023 einen Bericht, der 570 Missbrauchsklagen von 2010 bis 2022 in Europa untersuchte. Das Ergebnis: Die Zahl dieser Klagen steigt stetig, mit einem Höchststand im Jahr 2020. Besonders betroffen war im Untersuchungszeitraum Polen. Auch andere Institutionen wie die European Federation of Journalists, der Europäische Rat und das No-SLAPP-Bündnis bestätigen diesen Trend. Eine aktuelle Befragung der Otto-Brenner-Stiftung unter 227 Journalist:innen ergab: 116 von ihnen haben persönliche Erfahrung mit Einschüchterungsversuchen, 50 berichteten von Klagen gegen sie. Auch die taz oder einzelne Journalist:innen, die für die taz schreiben, sind Zielscheibe von solchen Klagen. Selbst wenn man dann gewinnt, ist man hohen Verfahrenskosten ausgesetzt. Kläger:innen erhoffen sich zudem eine Signalwirkung: Wenn eine Person angeklagt wird, weil sie etwa ein bestimmtes Unternehmen kritisiert, wird sich die nächste Person dreimal überlegen, ob sie über den Fall berichten will, so die Überlegung. Nehmen Klagen mit einer solchen Absicht zu, ist das eine Gefahr für die Demokratie und freie Meinungsäußerung.
Ann-Kathrin Leclère, taz.de, 03.04.2025 (online)