Die Gesellschaft braucht engagierte öffentlich-rechtliche Kulturberichte. […] Gut wäre es dabei, wenn die Aufmerksamkeit der vergangenen Tage als Antrieb genutzt würde, auch noch einmal prinzipiell über die Kulturberichterstattung im Fernsehen nachzudenken. Der Eindruck ist jetzt nämlich, dass man das öffentlich-rechtliche Kulturfernsehen teilweise gegen sich selbst verteidigen muss. […]
Es ist wirklich interessant, warum die ARD hier so verzagt agierte. Das wird einem doch in jedem Managementcoaching beigebracht: Kritik als Gelegenheit nutzen, um das eigene Vorhaben noch einmal zu erläutern. Doch da kam in diesem Fall halt nichts. […]
Die Wendung „Kultur für alle“, auf die Mischke sich beruft, ist ein Begriff mit Geschichte. Der damalige Kulturdezernent der Stadt Frankfurt am Main, Hilmar Hoffmann, hat ihn noch in der alten Bundesrepublik in die Debatte eingebracht, gerade auch im Kontext von TV-Berichterstattung über Kultur. Verbunden gewesen war das mit einem Bildungs- und Vermittlungsgedanken. Die Eigengesetzlichkeit von Kunst sollte einem breiten, interessierten Publikum aufgefächert werden. […]
Wer sich in der Mediathek die letzten Sendungen von „titel, thesen temperamente“ anschaut, wird feststellen, dass sie jetzt schon nicht eben einen reflektierten, die Rolle von Kunst und Kultur immer auch mitbedenkenden Kulturbegriff pflegten. Kultur wird nicht befragt. Stattdessen wird affirmativ das jeweilige Thema als bedeutend gesetzt und mit Interviewschnipseln illustriert. […]
Offenbar aber müssen sich die Kulturredaktionen der ARD gegen ein im Grunde kulturfernes Management durchsetzen – und können das nicht. Vielleicht ist jetzt aber zumindest deutlich geworden, dass es höhere Ansprüche an öffentlich-rechtliche Kulturberichterstattung gibt, als die Leitungsgremien es sich vorstellen können.
Dirk Knipphals, taz.de, 10.01.2025 (online)