Zitiert: Ein Fall für radikale Reformen

Die Öffentlich-Rechtlichen erstarren in absurden Strukturen. Nur: Statt über Reformen wird hauptsächlich über Skandale diskutiert. Ersparen wir uns die Plattitüde: Wenn es ihn nicht gäbe, müsste man ihn erfinden. Stellen wir besser nüchtern fest: Nur Verrückte würden ihn so erfinden, wie er heute in Deutschland ist. […]

Der wesentliche Unterschied zum „privaten“ Rundfunk liegt in der Finanzierung: werbefinanziert und kommerziell versus gemeinschaftsfinanziert und zu gesellschaftlichem Nutzen verpflichtet. Gesellschaftlicher Nutzen kann aber nur entstehen, wo gesellschaftliche Nutzung stattfindet. […]

Obwohl alle Haushalte einen einheitlichen Rundfunkbeitrag zu zahlen haben, fallen die Gegenleistungen höchst unterschiedlich aus. Der WDR versorgt NRW mit elf Ausgaben des TV-Magazins „Lokalzeit“ sowie einer landesweiten Regionalsendung. Der NDR bietet für Niedersachsen nur ein Regionalmagazin, das Wolfsburg und Wilhelmshaven gleichermaßen versorgen soll. Die Hörer von Radio Bremen bekommen vier Hörfunkwellen von ihrem Sender, der MDR liefert zehn – und eine halbe für die sorbische Minderheit. […]

Seit 1923 unterhält der deutsche Rundfunk eine Vielzahl von Chören und Orchestern, das älteste in Leipzig. Die Orchester der ARD sind Perlen der Kulturlandschaft – für die Programme aber sind sie so entbehrlich wie eigene Schauspielensembles oder Fußballmannschaften. Es würde nicht eine Sekunde Programm ausfallen, wenn es diese Orchester nicht gäbe. Eigentlich müssten sie von Stadt und Land finanziert werden. So aber sponsern die Gebührenzahler das regionale Kulturangebot. […]

Besonders schlecht ist das Angebot für Menschen ohne Deutschkenntnisse. Auch sie müssen zahlen, werden aber als Fernsehnutzer nicht gezählt. […]

Krass sind auch die Unterschiede in der Bezahlung. Obwohl überall derselbe Beitrag gezahlt wird, fällt die Entlohnung der Beschäftigten sehr unterschiedlich aus. […] Ein tagesaktueller 3-Minuten-Beitrag für die Berliner „Abendschau“ wird mit 331 Euro honoriert, beim WDR sind es laut Honorarrahmen 725 Euro. […]

Dabei schreit der öffentliche Rundfunk geradezu nach radikalen Reformen. Doch die bleiben aus: Skandale und die lächerliche Debatte über den Rundfunkbeitrag lenken von den zentralen Themen ab: bessere Programme, effizientere Strukturen, wirksame Kontrolle.

Christian Walther, taz.de, 11.10.2022 (online)

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Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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Auf seinem YouTube-Kanal „Ryan ToysReview“ testet der kleine Amerikaner Ryan seit März 2015 allerhand Spielzeug. Die Beschreibung des erfolgreichen Channels ist simpel: „Rezensionen für Kinderspiele von einem Kind! Folge Ryan dabei, wie er Spielzeug und Kinderspielzeug testet.“ Ryan hat 17 Millionen Abonnenten und verdient 22 Millionen Dollar im Jahr. Berliner Zeitung, 04.12.2018 (online)