Führende deutsche EU-Abgeordnete finden dagegen, mit den Talkshows sei etwas überhaupt nicht in Ordnung. In einem Brandbrief an die Spitzen von ARD und ZDF kritisieren sie, dass europäische Politik fast nie als Thema vorkomme und EU-Parlamentarier in den Abendrunden kaum Platz hätten. In der Woche nach der Europawahl Mitte Juni war von 43 Gästen in acht Talkshows nur ein einziger gewählter EU-Abgeordneter zu Gast: EVP-Chef Manfred Weber (CSU).
Warum? Weil die Brüsseler Politik zu weit weg ist, zu kompliziert ist für eine Stunde Fernsehstreit? Weil sie zu wenig Quote bringt? Nichts davon taugt als Rechtfertigung. Denn was in Brüssel und Straßburg verhandelt wird, hat fast immer direkte Auswirkungen auf das Leben jedes und jeder Einzelnen.
Die Europa-Skepsis in Teilen der Bevölkerung liegt auch darin begründet, dass zu wenig über die EU diskutiert wird, und wenn, dann mit einer deutschen Brille, von Bundespolitikern, die über die Feinheiten von Europa oft nicht ganz so gut informiert sind. Unkenntnis und Vorbehalte der Bürger verstärken sich so gegenseitig.
Jan Diesteldorf, sueddeutsche.de, 22.07.2024 (online)