Aber natürlich hat der enorme Casting-Aufwand bis in winzige Nebenrollen auch mit den Strukturen zu tun, mit denen sich die Branche selbst erstickt. Es will sich hinterher niemand vorwerfen lassen, irgendwas allzu freihändig entschieden zu haben, falls jemand meckert.
Deshalb braucht es Casting-Direktoren. Sie müssen bei den maßgeblichen Entscheidungen einer Filmproduktion moderieren und sie vorbereiten, nämlich die der Besetzung. Zugleich aber müssen sie die inneren, künstlerischen Logiken des Films gegen die äußeren des Marktes verteidigen. Sie setzen sich auch für neue Gesichter ein, statt immer dieselben als vermeintlich sichere Wahl zu nominieren. Sie leisten Vermittlungsarbeit und Entkrustungsarbeit. Der Beruf der Casting-Direktorin verkörpert mithin auch das Potenzial kreativer Erneuerung, so wie es einmal unter ganz anderen Bedingungen der Autorenregisseur tat.
Wahrscheinlich bräuchte es aber, um das zu honorieren, mehr als nur Awards und Ehrenpreise für die Casting-Direktoren. Ausreichend Geld, zum Beispiel. Die Summen, die für das Casting eingeplant würden, seien so klein, sagt Braker, dass man stets etliche Projekte gleichzeitig jonglieren müsse, um sich über Wasser zu halten. […]
Casting ist Arbeit an einem Ensemble. Ein einzelnes Gesicht isoliert kann gar nicht widerspiegeln, worin die Kunst dieses Metiers liegt.
Philipp Bovermann, sueddeutsche.de, 08.05.2025 (online)