Zitiert: 85 Prozent der Welt kommen in deutschen Medien kaum vor

Die übergroße Anzahl der Menschen leben im Globalen Süden. Trotzdem spielt dieser Raum in Medien oft kaum eine Rolle. Eine Studie legt Missstände auf und liefert Fakten zu Leitmedien.

Nachrichten aus den Ländern des Globalen Südens fristen eine Randexistenz in der Berichterstattung der meisten sogenannten Leitmedien. Zu diesem Ergebnis gelangt die Langzeitstudie „Vergessene Welten und blinde Flecken“, die ca. 5.500 Sendungen der Tagesschau aus den Jahren 2007 bis 2021 sowie andere in- und ausländische Medien ausgewertet hat.

Die Erkenntnisse sind ernüchternd: Der größte Teil des Globalen Südens spielt in der Berichterstattung fast gar keine Rolle. Im Jahr 2021 entfielen zum Beispiel lediglich etwa elf Prozent der Gesamtsendezeit der Tagesschau auf Berichte über die Länder des Globalen Südens, obwohl dort rund 85 Prozent der Weltbevölkerung lebt. […]

Im Jahr 2022 ereigneten sich eine Reihe von Krisen und Katastrophen, die in den deutschen Nachrichten nicht oder kaum berücksichtigt wurden. Weder die eskalierende Gewalt und humanitäre Krise in Haiti, einem Land, das der UN zufolge am Rande des Abgrunds steht, noch die politische Krise und der landesweite Notstand in Peru oder der Militärputsch in Burkina Faso fanden große Beachtung.

Ebenso peripher wahrgenommen wurden die „Jahrhundertflut“ in Pakistan, die 1.700 Menschenleben forderte und ca. 33 Millionen Personen obdachlos machte, wie auch die Erklärung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), dass die Zahl der Malaria-Toten im Jahr 2022 bei 619.000 lag und damit etwa 50 Prozent höher als in der Zeit vor der Corona-Pandemie. […]

Eine Ergänzungsanalyse zur Langzeitstudie hat 13 Jahresrückblicke aus Deutschland (10), Österreich (2) und den USA (1) ausgewertet; darunter Markus Lanz. Das Jahr 2022″, ein „stern-Sonderheft“, die Jahresrückblicke von ARD, ZDF, RTL und SAT.1 sowie der österreichischen Kronen Zeitung und des US-amerikanischen Nachrichtenmagazins Time.

Auch hier zeigte sich in allen untersuchten Medien dasselbe Muster der Beitragsverteilung, nämlich eine ausgesprochen starke Konzentration auf den Globalen Norden, wobei neben dem jeweiligen Ursprungsland des Mediums vor allem die Ukraine und Russland in den Vordergrund treten.

Daneben spielen andere Länder des sogenannten Westens eine Rolle sowie, bis zu einem gewissen Grad, Staaten der sogenannten Middle East & North Africa-Region (Mena); hier wurden vor allem die Proteste im Iran und die FIFA-Fußball-WM in Katar thematisiert.

Vor dem Hintergrund, dass etwa 85 Prozent der Weltbevölkerung in Ländern des Globalen Südens leben, ergibt sich ein Beitragsschema mit einem umgekehrt negativen Verhältnis. Pointiert gesagt: 15 Prozent der Weltbevölkerung genießen mehr als 85 Prozent der medialen Aufmerksamkeit, während 85 Prozent der Weltbevölkerung weniger als 15 Prozent der medialen Wahrnehmung erhalten.

Ladislaus Ludescher, telepolis, 22.4.2023 (online)

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