Mehrere Zeitungen berichten darüber, dass laut neuen Rundfunkstaatsvertrag Datschenbesitzer in Zukunft doppelt Rundfunkbeitrag bezahlen müssen, wenn ihre Datsche größer als 24 Quadratmeter ist (siehe Medienblog vom Samstag). Ein eindeutiges Dementi aus der Politik, die den neuen Staatsvertrag erarbeitet hat, gibt es bisher noch nicht. Der Rundfunkstaatsvertrag definiert als Haushalt jegliche Räumlichkeiten, die zum Übernachten geeignet sind. Wer also neben seiner Wohnung auch noch ein Ferienhaus oder eine Gartenlaube besitzt, der zahlt dann entsprechend mehrfach. Welche Folgen dies für die Datschenbesitzer ab 1. Januar 2013 haben kann, erläutert im Gespräch mit der Thüringer Allgemeinen Fred Fischer. Er ist im Bundesverband der Deutschen Grundstücksnutzer (VDGN) zuständig für Beiträge, kommunale Gebühren und Abgaben.
Es gibt „große Unterschiede in den alten und den neuen Bundesländern. Denn das Bundeskleingartengesetz galt ja für die alten Bundesländer schon viel länger. Und das schreibt vor, dass Gartenlauben maximal 24 Quadratmeter groß sein dürfen. Im Westen dürfte es also eher die Ausnahme sein, dass die Lauben in Kleingartenanlagen größer sind.
Im Osten allerdings gab es mit dem Einigungsvertrag eine Ausnahmeregelung für Kleingärtner. Denn in den neuen Ländern war die Größe von Gartenlauben vor 1990 nicht auf 24 Quadratmeter begrenzt. Nach DDR-Recht durften Lauben bis zu 40 Quadratmeter groß sein. Hier gibt es bundesweit also Hunderttausende Betroffene, in Thüringen könnten es 30 000 Kleingärtner sein.“
Laut Bernd Engelhardt, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde (BDG) in Brandenburg, gibt es im Land Brandenburg 68.000 „Laubenpieper“. Ungefähr die Hälfte, so schätzt Engelhardt laut Märkischer Oderzeitung, wäre von dem doppelten Beitrag betroffen
In Sachsen-Anhalt betrifft es „zwei Drittel unserer rund 100.000 Kleingärtner“, schätzt Dietmar Kuck, Präsident des Landesverbandes der Gartenfreunde Sachsen-Anhalt.
Sie alle müssen künftig bis zu 215,76 Euro pro Jahr zweimal zahlen – auch wenn sie weder Fernseher noch Radio haben und bereits für ihre Wohnung zahlen. Man habe das Problem zu spät erkannt, heißt es aus dem Landtag. Doch verhandelt haben den Vertrag die Rundfunkreferenten der Staatskanzleien, unterzeichnet haben ihn die Ministerpräsidenten. In einem Zwischenentwurf war festgehalten, dass die Kleingärtner nicht bezahlen müssen. In einem Argumentationspapier der Staatskanzleien, das dieses Jahr – also weit nach der Unterzeichnung des Staatsvertrages durch die Ministerpräsidenten im Dezember 2010 – verteilt wurde, war dies auch noch einmal so dargestellt: „Für Datschen und Lauben wird kein Beitrag erhoben.“
Die Bundesregierung hat gerade auf eine Schriftliche Frage zur Zahl der vom Rundfunkbeitrag für Gartenlauben Betroffenen geantwortet. Tenor: Sie habe keine exakten Zahlen, könne sich aber auf eine im Auftrag des BMVBS erstellte Studie „Städtebauliche, ökologische und soziale Bedeutung des Kleingartenwesens“ stützen. Dort heißt es: „Insgesamt überschreiten jedoch ca. 19 % die Obergrenzen [24 qm Laubengröße nach BKleingG], in den alten Ländern ca. 10 %, in den neuen Ländern 27 %.“ (S. 43) Zusätzlich wird dort die Zahl der Kleingärten in Deutschland mit 1.238.600 in 2007 angegeben. (S. 20) 97 % davon haben auch eine Laube. (S. 43)
„Ich denke, die neue GEZ-Gebühr wird kommen, wird umstritten bleiben und letztlich vor Gericht modifiziert werden. Beim VDGN denken wir bereits über eine Klage nach.“ So Fred Fischer.
UPDATE (10.11.2011):
Wie der für die Gebühr zuständige Südwestrundfunk (SWR) gegenüber dpa auf Anfrage weiter mitteilte, „werden Datschen ab 25 Quadratmeter nach Vorgaben des neuen Staatsvertrages als beitragspflichtige Wohnungen eingestuft. Ohnehin seien schon jetzt Radios oder TV-Geräte in Zweitwohnungen gebührenpflichtig. Daher sei eine Mehrbelastung von Inhabern größerer Datschen, die als Wohnungen gelten, nicht zu erwarten“, erklärte das ARD-„Projektbüro Begleitkommunikation Rundfunkbeitrag“ beim SWR. Die Antwort mag so stimmen. Doch was ist eine größere Datsche? Zugespitzt: Warum wird die Grenze bei 24 Quadratmetern gezogen? Wieso zählt der westdeutsche und nicht der ostdeutsche Wert? Ja, warum kann die bisherige im Kleingartengesetz geltende Ausnahmeregelung für Kleingärtner nicht weiterhin gelten? Diese Antwort des SWR zeigt, dass die dortigen Verantwortlichen die ostdeutsche Sondersituation nicht verstehen.
Eine Verhandlungs-Panne sei schuld, heißt es im Freien Wort (Thüringen). „Wie ein Sprecher der Thüringer Staatskanzlei erklärte, hatte sich Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht in den Verhandlungen über den Staatsvertrag eigens dafür eingesetzt, dass Gartenlauben von den Gebührenpflicht ausdrücklich ausgenommen werden. In den ersten Entwürfen sei noch keine Ausnahmeregelung enthalten gewesen. Deshalb gehe man davon aus, dass es keine Forderungen der Gebühreneinzugszentrale (GEZ) gegen die Kleingärtner geben werde.“ Wie viele Lauben von dem Problem betroffen sind, ist nicht bekannt. Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu 3,4 Millionen Kleingärten in den neuen Bundesländern existieren.
UPDATE (11.11.2011)
Beim MDR hieß es, zur Problematik der Lauben, die größer als 24 Quadratmeter seien, gebe es noch keine Festlegungen, so die DNN. „Bevor wir uns im Einzelnen dazu äußern, müssen wir uns erst einmal gründlich mit der Thematik befassen“, erklärte Sprecherin Susanne Odenthal. Der MDR habe sich an den Rundfunkstaatsvertrag und seine Regelungen zu halten. Und: „Insgesamt sind wir natürlich daran interessiert, dass das neue Beitragsmodell gesellschaftliche Akzeptanz findet.“