Muss NDR-Fernsehdirektor Frank Beckmann im Kika-Skandal noch Verantwortung übernehmen?

 

„Der Schaden habe sich auf 8,2 Millionen Euro erhöht, teilte MDR-Intendant Udo Reiter gestern nach einer Sondersitzungen des Rundfunkrats mit. Die kriminellen Scheingeschäfte seien acht Jahre lang – von 2002 bis 2010 – nicht aufgefallen. Fünf Firmen seien darin verwickelt gewesen“, berichtet die Märkische Allgemeine.

„Die enorme kriminelle Energie des Beschuldigten hat letztlich dazu geführt, dass diese Allianz von Untreue und Betrug für Außenstehende ohne spezifische Fachkenntnisse offenbar kaum zu entlarven war und so Jahre lang unentdeckt blieb“, sagte Reiter laut Kölner Stadtzanzeiger.

„Der inzwischen vor die Tür gesetzte Verdächtige missbrauchte seine Schlüsselposition: Der Mann hatte den Kinderkanal mit aufgebaut, produktionstechnische und kaufmännische Prozesse auf sich zugeschnitten und damit das eigentlich geltende Vier-Augen-Prinzip ausgehebelt“, heißt es bei Sat+Kabel.

„Die jetzige Organisationsreform spricht allerdings dafür, dass es dem Beschuldigten auch systematisch leichtgemacht wurde“, stellte die FAZ fest.

 

„Die Schwachstellen bei den Kontrollen hatten laut Reiter zur Folge, dass Vorschriften nicht so beachtet und angewendet wurden, wie es sein sollte. So seien erbrachte Leistungen ohne Prüfung abgerechnet worden, auf Hinweise aus früheren Überprüfungen sei nur unzureichend reagiert worden“, so die Leipziger Volkszeitung. Der Intendant betonte: „Dass über so lange Zeit unbemerkt so viel Geld abgezweigt werden konnte, ist auf tatbegünstigende Umstände, auf Schwachstellen im Umfeld und einen mangelnden Vollzug der MDR-Regeln beim Ki.Ka zurückzuführen. Dafür sind wir verantwortlich.“

„Eine Ermahnung erhält der für den KI.KA zuständige MDR-Fernsehdirektor Wolfgang Vietze“, so epd medien. „Der Programmgeschäftsführer des KI.KA, Steffen Kottkamp, wird wegen „mangelnder Ausübung seiner Kontrollfunktion“ abgemahnt. „MDR-Verwaltungsdirektor Holger Tanhäuser stellt sein Amt zur Verfügung, um einen personellen Neuanfang zu ermöglichen. Zugleich betonte er, dass er dadurch kein eigenes Verschulden anerkenne.“

„Zum Verhängnis wurde ihm“, so die WELT, „dass der Prüfbericht zum Ki.Ka-Betrug eine Reihe von Schwachstellen beim Kontrollsystem offenbarte. Dadurch kam es nach Einschätzung der Experten zu Mängeln bei der Beachtung und Anwendung der Vorschriften. Trotz aller externen Prüfungen von Landesrechnungshöfen und Revisionsabteilungen, bei denen nichts Auffälliges gefunden wurde, musste der MDR deshalb eine Mitschuld eingestehen.“

„Mit einiger Empörung ist im Kika und im MDR die Tatsache aufgenommen worden, dass Frank Beckmann, von 2000 bis 2008 Kika-Chef, nicht belangt werden soll. Er ist seit Ende 2008 TV-Programmdirektor des NDR“, heißt es im Tagesspiegel. MDR-Sprecher Dirk Thärichen sagte, Beckmann „unterliegt nicht mehr der arbeitsrechtlichen Kontrolle des MDR“.

Der Vorsitzende des MDR-Verwaltungsrates, Gerd Schuchardt, erklärte, die bisherige Aufarbeitung der Untreue- und Betrugsfälle beim KI.KA erscheine transparent und zielgerichtet. Es spreche für die rückhaltlose Aufklärung, dass sich der MDR selbst von kritischen Analysen und Konsequenzen nicht ausnehme.

Nach SPIEGEL-Informationen prüft der MDR Schadensersatzansprüche gegen den NDR-Fernsehdirektor Frank Beckmann, der zuvor lange als Kika-Programmgeschäftsführer gearbeitet hatte. „Der größte Teil der Scheinrechnungen und der damit veruntreuten Summe fiel in die Amtszeit von Frank Beckmann, der den Kinderkanal von 2000 bis 2008 leitete und der heute Fernsehdirektor des NDR ist – rechtzeitig, könnte man hinzufügen“, so MDR-Intendant Udo Reiter. Er werde NDR-Intendant Lutz Marmor über die Ergebnisse des Revisionsberichts unterrichten.

Im Interview mit SAT+Kabel betonte Udo Reiter nochmals: „Mein Ziel ist es, den Kinderkanal möglichst unbeschädigt aus dieser Affäre herauszuführen, ihm auch in Zukunft optimale Arbeitsbedingen zu sichern und den Standort Erfurt zu erhalten.“

Ob es für einen Neuanfang reicht, dass MDR-Verwaltungsdirektor Holger Tanhäuser seinen Platz räumt, wird sich zeigen. Es scheint ein Widerspruch zu sein, dass jemand, der faktisch drei Ebenen über dem Herstellungsleiter arbeitete, für sich Konsequenzen zieht, der direkte Vorgesetzte jedoch bleibt. Sicher, man kann abstreiten, von der Spielsucht gewusst zu haben. Doch wenn Dienstanweisungen nicht eingehalten bzw. umgesetzt werden, ist der direkte Vorgesetzte in der Verantwortung, oder?

Der Thüringer Medien-Staatssekretär Peter Zimmermann war laut dapd erfreut, „dass Programmgeschäftsführer Kottkamp das Vertrauen ausgesprochen wurde. Der Sender könne nun «mit Klarheit, Energie und Kreativität nach vorn schauen und seinen 15. Geburtstag im nächsten Jahr vorbereiten»“.

Links:

Vorläufiger Abschlussbericht der Revisionen vom 18.3.2011

Bericht von MDR-aktuell vom 18.3.2011

Bericht von MDR 1 Radio Sachsen vom 18.3.2011

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Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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Auf seinem YouTube-Kanal „Ryan ToysReview“ testet der kleine Amerikaner Ryan seit März 2015 allerhand Spielzeug. Die Beschreibung des erfolgreichen Channels ist simpel: „Rezensionen für Kinderspiele von einem Kind! Folge Ryan dabei, wie er Spielzeug und Kinderspielzeug testet.“ Ryan hat 17 Millionen Abonnenten und verdient 22 Millionen Dollar im Jahr. Berliner Zeitung, 04.12.2018 (online)