Inwieweit der MDR Lokaljournalismus bieten darf

Sachsen Staatskanzleichef Oliver Schenk, der auch die Medienpolitik der CDU-Länder koordiniert, meint, dass „die einzelnen Landesrundfunkanstalten […]aufgrund ihres Auftrages in allererster Linie für landesweite Themen zuständig [sind]. So bezieht sich zum Beispiel der Programmauftrag des MDR auf das ‚internationale, nationale und länderbezogene‘ Geschehen. Die regionale und lokale Ebene wurde vom Gesetzgeber ganz im Sinne einer publizistischen Gewaltenteilung im Interesse der auf diesem Gebiet tätigen Medienunternehmen ausgeklammert. Verstärkte Aktivitäten der Landesrundfunkanstalten im lokalen und regionalen Bereich würden die dort tätigen Medien schwächen. Das ist medienpolitisch aber nicht gewollt. Es gilt vielmehr, nach Möglichkeiten zu suchen, im Länderkonsens den besehenden Schwierigkeiten entgegenzuwirken.“ (medienpolitik.net, 07.05.2019)

Doch stimmt das so? Ja, wenn man den MDR-Staatsvertrag aus der heutigen Sicht und unter den heutigen medialen Kräfteverhältnissen interpretiert – und als Ausgangspunkt seiner Medienpolitik die Interessen der Verleger nimmt. So kann man richtig liegen, aber auch weit daneben. Das kann richtig sein, muss es aber nicht.

Wenn man wissen möchte, was der Gesetzgeber sich vor fast 30 Jahren, denn so lange gilt schon der MDR-Staatsvertrag, bei den einzelnen Regelungen gedacht hat, muss man die Begründungen zum Gesetzentwurf zu Rate ziehen.

Sachsens Staatskanzleichef Oliver Schenk bezieht sich nur auf § 6 Absatz 1 MDR-Staatsvertrag, in dem es heißt: „Der MDR hat in seinen Sendungen einen objektiven und umfassenden Überblick über das internationale, nationale und länderbezogene Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben.“

In der dazugehörigen Begründung heißt es: „Der Rundfunk ist für die öffentliche Meinungsbildung ein entscheidender Faktor. Er ist eines der einflußreichsten Medien. Dieser tatsächlichen Bedeutung entspricht die Weite des Prorammauftrags, die vom internationalen bis zum landesbezogenen Geschehen, von der reinen Information bis zum kulturellen Geschehen und zur Bildung, Unterhaltung und Beratung reicht. Der Rundfunk kann seine Aufgaben nur dann sachgerecht erfüllen, wenn seine Darstellungen und Bericht möglichst umfassend und wahrheitgemäß sind.“

Wenn man nur diese Begründung liest, dann hat Oliver Schenk recht. Es gibt keine Aussagen zur regionalen und lokalen Berichterstattung. Diese finden sich allerdings in der Begründung zum § 9, in dem es um die „Grundsätze für Landesprogramme“ geht. („Die Landesprogramme sollen insbesondere das öffentliche Geschehen, die politischen Ereignisse, das kulturelle Leben sowie die wirtschaftliche Entwicklung in den Ländern darstellen.“)

In der dazugehörigen Begründung heißt es: „Die Landesprogramme sind ein wesentliches Element dieses Staatsvertrages. Der Rahmen, den die Landesprogramme ausfüllen sollen, ist weit gesteckt. Er umfaßt das Geschehen und Leben im Lande unter allen Gesichtspunkten. Schwerpunkte mögen dabei die Darstellungen auf den Gebieten der Kultur, der Wissenschaft, der Geschichte, der Volkskunst, des Sports und der Wirtschaft sein. Gleichzeitig sollen sie die Zusammengehörigkeit und Heimatverbundenheit der Bevölkerung festigen und weiter fördern.“

Bedarf es nicht einer umfangreichen lokalen und regionalen Berichterstattung, wenn „das Geschehen und Leben im Landes unter allen Gesichtspunkten“ wiedergespiegelt werden soll?

Der MDR-Staatsvertrag wurde 1991 erarbeitet und von den drei Landtagen verabschiedet. Damals sah die Medienlandschaft anders aus. Sicher kann man aktuelle medienpolitische Positionen mit Zitaten aus dem fast 30 Jahre alten MDR-Staatsvertrag untermauern, diesen als „Beweis“ zitieren. Doch offensichtlich trifft Oliver Schenk damit nicht den medienpolitischen Kern, nicht den – damaligen – Willen des Gesetzgebers.

Die medienpolitische Frage, die zu beantworten ist, lautet: Soll der MDR mit seinen Programmen weiterhin „das Geschehen und Leben im Lande unter allen Gesichtspunkten“ wiederspiegeln?

Es macht keinen Sinn, den MDR-Staatsvertrag immer wieder aus der heutigen Sicht zu interpretieren und diesem Staatsvertrag dann aktuelle medienpolitische Positionen und Absichten „unterzuschieben.“ Es ist an der Zeit, die aktuellen medienpolitischen Positionen in einen neuen MDR-Staatsvertrag zu kleiden.

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Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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