Ein kurzer Überblick über den Spätsommer 2024 könnte – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – etwa so lauten: Nach einem islamistischen Anschlag in Solingen mit drei Toten und einem Rechtsruck bei drei Landtagswahlen folgt eine ausufernde Debatte über Asyl und Migration. Ein Hochwasser in Mitteleuropa fordert Todesopfer und verursacht Milliardenschäden. Volkswagen stellt Werksschließungen und Stellenabbau in Aussicht. In Dresden stürzt eine Brücke ein. Die Zahl der politischen Gewalttaten in Deutschland erreicht einen Höchststand. Und das Sterben in der Ukraine und im Nahen Osten geht weiter, ohne dass eine politische Lösung in Sicht wäre. Währenddessen schleppt sich eine zerstrittene Bundesregierung ins letzte Jahr der Legislaturperiode. […]
Es gibt Redebedarf und Gesprächsthemen im Überfluss. Fernseh-Talkshows, die immerhin ein Millionen-Publikum erreichen, sind also keineswegs überflüssig, sondern im Gegenteil wichtiger denn je. Ihnen wird gerne vorgeworfen, zugunsten der Quote auf Streit und Zuspitzung zu setzen. Dem muss man die politische Binsenweisheit entgegenhalten, dass es eine Demokratie ohne Streit niemals geben wird, außer sie ist keine Demokratie. Und Gesprächsrunden, in denen sich alle gegenseitig auf die Schulter klopfen, sind nun tatsächlich kein Vergnügen. Unterhaltsam darf es sein, wenn der öffentlich ausgetragene Disput eine Bereicherung sein soll. Dass dabei die Qualität der Rhetorik eine Rolle spielt, liegt auf der Hand. […]
In den vergangenen Wochen waren die Talkshows allerdings – ähnlich wie die Politik selbst – Getriebene und auf zwiespältige Weise auch Treiber der gesellschaftlichen Debatte. […]
In den zahlreichen Sendungen wurde über Einwanderung fast ausschließlich in Kombination mit Asylmissbrauch und Terror geredet. Und das in einer schwer erträglichen Wiederholungsschleife.
Thomas Gehringer, epd medien, 04.10.2024 (online)