Oliver Hintz ist in Lübeck aufgewachsen. Er kommt also aus der Region und gleichzeitig von weit her. Als erste Zeitung hatte damals die FAZ über den Fall berichtet und dadurch unweigerlich die Erinnerung an ein mediales Hegemonialverhältnis wachgerufen, die in Ostdeutschland tendenziell präsenter ist als im Westen. Der Leipziger Literaturwissenschaftler Dirk Oschmann hatte diesen Verhärtungen in seinem Bestseller „Der Osten − eine Erfindung des Westens“ im vergangenen Jahr einen längeren Wutausbruch gewidmet. Dort kann man sehr genau nachlesen, warum es in vielen postsozialistischen Landstrichen am ehesten eine Art erlernten Renitenz-Reflex auslöst, wenn sie von einem westdeutschen Medium auf diese Weise ins antisemitische Zwielicht gerückt werden.
Das ist die Dimension, die über diesen Fall weit hinausweist und die in naher Zukunft auch an einigen Wahlsonntagen im Osten wieder zur Sprache kommen dürfte. Die Tragik liegt hier nicht zuletzt darin, dass die Rechte dieses Gefühl, westdeutscher Gängelung wehrlos ausgeliefert zu sein, so erfolgreich monopolisieren und mit völkischer, autoritärer Ideologie verknüpfen konnte.
Felix Stephan, sueddeutsche.de, 20.10.2025 (online)

