Damit sind wir wieder bei den Projektionsflächen. Medien operieren mit Fakten, um Menschen die Wirklichkeit näherzubringen. Tatsächlich geht es oft einfach darum, die Deutungshoheit über eine Erzählung mit aller Macht durchzusetzen – also um den Film, der auf der Projektionsfläche zu sehen ist. […]
Wirklichkeit ist für viele Menschen nicht nur das, was die Faktenlage hergibt; Wirklichkeit wird vor allem in großer Erregung durch grundlegende Überzeugungen geprägt. Und je größer die Erregung – das kennt man aus privaten Streits –, desto weniger zugänglich sind Menschen für Argumente.
Der Kulturkampf ist ein ständiger Erregungszustand, in dem es am Ende überhaupt nicht um Argumente geht. Man könnte eine Million gute Gründe für das Gendern finden, aber es würde nichts ändern. Es ist aber nicht nur ein Erregungszustand, dass viele konservativ geprägte Menschen es ablehnen.
Man muss allerdings sehen: Es ist kein Krieg, der sich zufällig ergeben hat. Es ist ein bewusst herbeigeführter Krieg, der von rechts geführt wird, um eine weltweite gesellschaftliche und wirtschaftliche Verschiebung der Tektonik zu bekämpfen, deren Folge ist, dass Geld und gesellschaftliche Macht neu verteilt werden.
Adam Tinworth hat das vor knapp neun Jahren in einem Blogbeitrag beschrieben: Der klassische Journalismus kämpft in diesem Krieg nach den Regeln, auf die man sich irgendwann geeinigt hatte, als es noch eine Übereinkunft darüber gab, dass ein Konsens das demokratische System ist. Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Jedenfalls nicht mehr überall.
Ralf Heimann, MDR Altpapier, 26.09.2025 (online)