Es besteht in unserem Filmfördersystem bereits ein großes Ungleichgewicht bei der Verteilung der Fördermittel. Weder haben Kinos irgendeinen Vorteil, wenn Fernsehformate gefördert werden, noch lässt sich mit Zuckerbrot und Peitsche für globale Streamer der deutsche Film retten. Unbestritten benötigt Deutschland wettbewerbsfähige Produktionsstandorte und es ist für uns wichtig, dass für Mainstream, Crossover und Arthouse mehr Qualitätskinofilme entstehen, für die sich der Weg ins Kinos lohnt. Doch wissen wir gar nicht, was eine Verdopplung der Produktionsförderung im KI-Zeitalter bedeutet. Wenn Produktionskosten drastisch sinken und gleichzeitig die Flut an Filmen explodiert, brauchen wir dann wirklich mehr Filme oder vielmehr Orte, die in dieser Flut Orientierung bieten? Wir stehen am Beginn der größten Medienumwälzung seit der Erfindung des Internets und für uns noch mehr, seit Erfindung des Kinos vor 130 Jahren. Unsere Kinos müssen jetzt investieren können – in moderne Technik, in Publikumsbindung und ins Kinoerlebnis –, um in dieser neuen Welt als Gegenpol zu bestehen. Auf diese Umwälzungen müssen wir klug reagieren – doch wir diskutieren in einer lähmenden Hängepartie weiter die Fragen der letzten Legislatur. […]
Kinos sind nicht irgendein Verwertungskanal. Sie sind die letzten Räume, in denen Filme noch herausfordern und ganz der künstlerischen Vision folgen dürfen. Wir verlangen nicht wie bei Streamern oder Social Networks von Filmen, in den ersten Sekunden möglichst alles reinzuhauen, damit bloß niemand weiter scrollt oder das nächste Reel aufmacht. Kinos sind Orte der Auseinandersetzung, nicht der Bestätigung. Ohne diese Bühnen verpufft jede Produktionsförderung. Wir können nicht die Förderung für Orchester verdoppeln und willentlich deren Konzertsäle verfallen lassen.
Christian Bräuer, medienpolitik.net, 30.09.2025 (online)