Walter Benjamin sagte: Der Kapitalismus stirbt; aber sehr erfolgreich. Die USA verwandeln sich in ein poststaatliches Land, dessen Machtzentrum sich vom modernen Nationalstaat entfernt hat. Die Big-Tech-Machtelite Amerikas fühlt sich von einer CEO-geführten Herrschaft sehr angezogen, die demokratische Prozesse untergräbt und den Kapitalismus in einer extrem beschleunigten Form aufbaut. Das ist die leicht zynische Hoffnung des Akzelerationismus, egal ob von rechts oder links: dass sich der Kapitalismus durch sein inhärentes Wachstum und die technologiegetriebene Beschleunigung selbst an einen Nullpunkt navigiert, wo das System kollabiert und umschlägt in etwas ganz anderes. […] Diskordianismus bedeutet, dass man Verwirrung stiftet, von jedem Fakt das Gegenteil behauptet. Und am Ende weiß keiner mehr, was stimmt. Es geht nicht um Wahrheit. Es geht um Diskursdominanz. So wird aus Scheiße Gold. Die Meinungsbildung vollzieht sich auf Plattformen, nicht im Parlament. Auch das ist ein Aspekt des Post State. […]
Vielleicht ist das Zeitalter des Bürgers bald vorbei. Was Elon Musk mit seiner Behörde DOGE im Namen einer neuen Regierungseffizienz gemacht hat, war ein Hack des demokratischen Systems. Er hat sich die Zahlungsflüsse der Regierung angeschaut und Verträge einfach gekündigt. Ohne parlamentarische Debatte. Das ist kein Putsch, sondern eine Umprogrammierung des administrativen Systems. Die Machtverhältnisse in den USA haben sich zu einem postindustriellen Netzwerk verlagert, das keine Loyalität zum Bürger oder Staat besitzt.
Thomas Oberender, berliner-zeitung.de, 07.12.2025 (online)

