Zitiert: Gute Medienreform, böse Medienreform

In den Demokratien Ostmitteleuropas ist ein medienpolitischer Revanchismus im Tauziehen um die Interpretations- und Deutungshoheit zur Tradition geworden. Diese Praxis stellt ein fundamentales Problem in der Region dar und belastet die politische Kultur – von beiden Seiten des politischen Spektrums. Bis aber die streitenden Parteien nicht eine einvernehmliche Kompromisslösung finden und stattdessen jeden politischen Machtwechsel als Machtergreifung verstehen, wird es nicht gelingen, aus diesem Teufelskreis auszubrechen. Auch den neugewählten Regierungen Polens und der Slowakei scheint dies nicht zu gelingen.

Die westliche Presse sollte sich keinen Illusionen hingeben und die Gewohnheit ablegen, in Abhängigkeit von politischem Wohlgefallen, schlechte Praktiken durch gute Absichten zu rechtfertigen. Mit altbewährten Vorschlaghammermethoden zu neuen Ergebnissen gelangen zu wollen, zeugt nicht von ernsthaftem Reformwillen. Mit der kompletten Auflösung des ÖRR hat Polen einen gefährlichen Präzedenzfall geschaffen, der nun auch in der Slowakei zur Anwendung kommen könnte. Damit wird dem Glauben der Bürger an die Institutionen der Demokratie weiterer Schaden zugefügt.

Dass gerade öffentlich-rechtliche Medien in Deutschland über die Zerschlagung eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks jubeln, erscheint skurril. Wenn man als Berichterstatter mit Neutralitätsanspruch für dieselben Vergehen nur Regierungen des einen politischen Lagers kritisiert, lässt man seine gerechtfertigte Kritik nicht nur unglaubwürdig erscheinen, man unterminiert auch das Vertrauen der ostmitteleuropäischen Bürger in die Objektivität der ausländischen Medien. Bis dieses Problem erkannt wird, scheint es fürs Erste weiterhin zu heißen: Quod licet Iovi, non licet bovi.

Tristan Csaplár, Alexander Rasthofer, Budapester Zeitung, 14.04.2024 (online)

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Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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Auf seinem YouTube-Kanal „Ryan ToysReview“ testet der kleine Amerikaner Ryan seit März 2015 allerhand Spielzeug. Die Beschreibung des erfolgreichen Channels ist simpel: „Rezensionen für Kinderspiele von einem Kind! Folge Ryan dabei, wie er Spielzeug und Kinderspielzeug testet.“ Ryan hat 17 Millionen Abonnenten und verdient 22 Millionen Dollar im Jahr. Berliner Zeitung, 04.12.2018 (online)