Zitiert: Eine „Truth Era“ hat es nie gegeben

Zwei Überlegungen mahnen hier aber zur Vorsicht: Zum einen wird schnell übersehen, dass es eine gute alte Zeit der Wahrheit, eine Truth Era, nie gegeben hat. Wir wissen schon sehr viel länger um die Schwierigkeiten, Realität und Wahrheit zu erkennen. Vorsätzliche Fehlinformationen, politische Propaganda, Lügen und Verschwörungstheorien sind keine neuen Phänomene. Allenfalls die Dreistigkeit und Ubiquität, mit der offensichtlich unwahre Behauptungen in die Welt getragen werden und die technischen Möglichkeiten, das zu tun, haben sich geändert. Gerade deshalb ist guter Journalismus heute mehr denn je unverzichtbar.

Zum anderen fällt auf, dass sich auch viele typische Post-Truth-Protagonisten im weitesten Sinne wissenschaftlicher Argumentationsmuster bedienen. Sie geben (pseudo)wissenschaftliche Studien in Auftrag, gründen Thinktanks und stilisieren sich als kritische Querköpfe, die hinter die Fassaden schauen und den Tatsachen auf die Spur kommen (Stichworte: „Korrupte Elite“, „Lügenpresse“, „Deep State“). Man wendet sich zwar gegen Mainstream-Deutungen, hält aber vom Duktus und der Symbolik eher an der Unterscheidung von Meinungen und Fakten fest. Auch der häufige Hinweis auf den „gesunden Menschenverstand“, ist eine Form der Rationalisierung, die dazu dient, vermeintlich links-liberale Ideologie und Wokeness zu entlarven. Ob dieser Trend sich durchsetzt, wird auch davon abhängen, ob es dem kritischen Qualitätsjournalismus gelingt, seine Standards trotz einzelner Skandale und Fehlentwicklungen im Ganzen aufrechtzuerhalten.

Andreas Voßkuhle, sueddeutsche.de, 04.12.2025 (online)

Onlinefilm.org

Zitat der Woche
Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
Out of Space
Auf seinem YouTube-Kanal „Ryan ToysReview“ testet der kleine Amerikaner Ryan seit März 2015 allerhand Spielzeug. Die Beschreibung des erfolgreichen Channels ist simpel: „Rezensionen für Kinderspiele von einem Kind! Folge Ryan dabei, wie er Spielzeug und Kinderspielzeug testet.“ Ryan hat 17 Millionen Abonnenten und verdient 22 Millionen Dollar im Jahr. Berliner Zeitung, 04.12.2018 (online)