Zitiert: Die Macht der Moralkeule

Wenn Menschen in Deutschland angeben, sie trauten sich nicht mehr, ihre Meinung zu sagen, dann kommt von links oft die Gegenfrage: Geht es nicht eigentlich nur darum, dass du keinen Widerspruch möchtest? Von rechts wiederum wird das Gefühl verstärkt, dass so etwas in Deutschland nicht mehr gehe – allerdings nicht, weil man dann festgenommen wird, sondern weil man geächtet, mit hässlichen Etiketten versehen wird und es sich anfühlt wie: Sie sind moralisch verhaftet.

Ganz schwieriges Gebiet also, um darüber zu diskutieren, denn mit der einen Position rutscht man schnell in die Opferrolle der Menschen, die es sich im Wir-Gefühl der vermeintlich Unterdrückten gemütlich gemacht haben. Mit der anderen besteht die Gefahr, die Wahrnehmung sehr vieler Menschen herunterzuspielen oder als illegitim abzuwerten. […]

Eine Aussage wird nicht mehr inhaltlich diskutiert, sondern mit einem Etikett versehen – und damit erledigt. Wer diese Etiketten verteilt, hat Einfluss. Wer darüber bestimmt, welche Position „politisch korrekt“ ist, oder welche Meinung durch einen „Faktencheck“ diskreditiert wird, bestimmt die Spielregeln der Debatte – und damit einen Teil der politischen Wirklichkeit.

Hier ist die Frage: Wäre das dann sozusagen Machtausübung von oben? Oder ist es nach einem anderen Verständnis ein Angriff auf die bestehenden Machtverhältnisse – also auf den noch immer bedeutenden Teil der politischen Wirklichkeit, der früher die alleinige Deutungsmacht hatte?

Am Ende bleibt die Frage: Wie viel Macht hat die Moralkeule?

Ralf Heimann, MDR Altpapier, 12.06.2025 (online)

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Zitat der Woche
Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
Out of Space
Auf seinem YouTube-Kanal „Ryan ToysReview“ testet der kleine Amerikaner Ryan seit März 2015 allerhand Spielzeug. Die Beschreibung des erfolgreichen Channels ist simpel: „Rezensionen für Kinderspiele von einem Kind! Folge Ryan dabei, wie er Spielzeug und Kinderspielzeug testet.“ Ryan hat 17 Millionen Abonnenten und verdient 22 Millionen Dollar im Jahr. Berliner Zeitung, 04.12.2018 (online)