Zitiert: Der wirtschaftliche Aspekt der Relotius-Debatte

Dieser kam bisher kaum zur Sprache. Claas Relotius war als freischaffender Reporter ein Nobody in einem schwierigen Marktumfeld, als er seine ersten Artikel verkaufte. Denn die grossen Redaktionen, welche Erzähljournalismus in den Jahren vor dem Skandal publizierten, wollten häufig Unmögliches: Im entsprechenden Text sollte sich das grosse Ganze im Kleinen zeigen. Dabei sollten die ProtagonistInnen der Geschichten als Stellvertretungen für grössere gesellschaftliche, kulturelle, wissenschaftliche Entwicklungen stehen – und diese so für die Leserschaft effizienter, unmittelbarer, erfahrbar machen.

Als unbekannter «Freier» musste Relotius zweimal Verkäufer sein. Zuerst musste er einer Redaktion eine Idee für einen Artikel mit Arbeitsthese zum «grossen Ganzen» verkaufen. Und danach die fertige Geschichte selbst. Dabei dürfte er den Grossteil des finanziellen Risikos der Recherche getragen haben. So ist anzunehmen, dass er wiederholt Ideen verkaufte, die sich danach vor Ort nicht umsetzen liessen. Weshalb er jene Teile der bereits verkauften Geschichte erfand, die er eben nicht recherchieren konnte – und so allmählich den zeitgeistigen Story-Code knackte.

Pascal Sigg, infosperber.ch, 29.11.2022 (online)

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Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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Auf seinem YouTube-Kanal „Ryan ToysReview“ testet der kleine Amerikaner Ryan seit März 2015 allerhand Spielzeug. Die Beschreibung des erfolgreichen Channels ist simpel: „Rezensionen für Kinderspiele von einem Kind! Folge Ryan dabei, wie er Spielzeug und Kinderspielzeug testet.“ Ryan hat 17 Millionen Abonnenten und verdient 22 Millionen Dollar im Jahr. Berliner Zeitung, 04.12.2018 (online)