Es ist auffallend, dass selbst in Nachrichtensendungen von ARD und ZDF immer häufiger von Eingriffen in die Pressefreiheit die Rede ist, wenn es um Beschränkungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks oder seiner Journalistinnen und Journalisten geht, und die Rundfunkfreiheit, wenn überhaupt, nur noch am Rande Erwähnung findet. […]
Man mag Kritik an dieser Bezeichnung zunächst als reine Wortklauberei abtun wollen, doch bereits ein Blick in das Grundgesetz lässt daran zweifeln, denn in Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 ist neben der Pressefreiheit ausdrücklich die „Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk“ gewährleistet. Die Rundfunkfreiheit stellt weder einen Unterfall der Pressefreiheit dar noch ist sie mit dieser deckungsgleich. […]
Diese Besonderheiten hat das Bundesverfassungsgericht in zwölf weiteren grundlegenden Entscheidungen zur Rundfunkfreiheit bis in die jüngste Vergangenheit herausgearbeitet. Um nur einige Stichworte zu nennen, sei auf die aus der Rundfunkfreiheit folgende Bestands- und Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, seinen daraus abzuleitenden Anspruch auf funktionsgerechte Finanzierung – mit Auswirkungen auf das bei der Festsetzung des Rundfunkbeitrags zu beachtende dreistufige Verfahren – sowie den Grundsatz der Staatsferne und seine Konsequenzen für die Zusammensetzung der Gremien verwiesen. […]
Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, also auch der MDR, sind gerade keine Träger der Pressefreiheit, sondern können sich, selbst wenn es um das Anbieten von Druckwerken geht, ausschließlich auf die Rundfunkfreiheit berufen.
Deshalb dürfen sie, wie die Karlsruher Richter in der sechsten Rundfunkentscheidung vom 5. Februar 1991 betonen, lediglich Druckwerke mit vorwiegend programmbezogenem Inhalt veröffentlichen und damit weder vorrangig noch gar allein Finanzierungszwecke verfolgen, weil nur dies als Randbetätigung von der Rundfunkfreiheit gedeckt ist. Wären die Rundfunkanstalten Träger der Pressefreiheit, wären sie berechtigt, auch Tageszeitungen, Zeitschriften und sonstige Druck-Erzeugnisse anzubieten, was sicherlich nicht den Beifall der privaten Zeitungs- und Zeitschriftenverlage finden würde.
Dieter Dörr, epd medien 28-29/22 vom 15. Juli 2022 (online)