Gibt es ein Recht auf kostenlose Kurzberichterstattung im Fernsehen?

 

Als man sich in Deutschland im Jahre 2008 um die Fußball-Rechtepakte stritt, wies WDR-Intendantin Monika Piel darauf hin, dass man auch das Kurzberichterstattungsrecht nutzen könne, um die Sonnabend-Sportschau zu retten. Doch kann dies kostenlos geschehen? Bisher gibt es auf diese Frage keine eindeutige Antwort – zumindest nicht auf europäischer Ebene. Im Rundfunkstaatsvertrag findet man im § 5 die entsprechenden Regelungen für Deutschland.

 

 

„(1) Das Recht auf unentgeltliche Kurzberichterstattung über Veranstaltungen und Ereignisse, die öffentlich zugänglich und von allgemeinem Informationsinteresse sind, steht jedem in Europa zugelassenen Fernsehveranstalter zu eigenen Sendezwecken zu. Dieses Recht schließt die Befugnis zum Zugang, zur kurzzeitigen Direktübertragung, zur Aufzeichnung, zu deren Auswertung zu einem einzigen Beitrag und zur Weitergabe […] ein.“

 

Doch wie lang darf dann die Berichterstattung sei. Da gibt es keine genaue Vorgabe in Minuten und Sekunden. Die Dauer hängt vom Ereignis ab. Die Obergrenze liegt bei 90 Sekunden.

 

„(4) Die unentgeltliche Kurzberichterstattung ist auf eine dem Anlass entsprechende nachrichtenmäßige Kurzberichterstattung beschränkt. Die zulässige Dauer bemisst sich nach der Länge der Zeit, die notwendig ist, um den nachrichtenmäßigen Informationsgehalt der Veranstaltung oder des Ereignisses zu vermitteln. Bei kurzfristig und regelmäßig wiederkehrenden Veranstaltungen vergleichbarer Art beträgt die Obergrenze der Dauer in der Regel eineinhalb Minuten.“

 

Heißt unentgeltlich in diesem Fall auch kostenlos? Der deutsche Gesetzgeber hat Folgendes festgelegt:

„(6) Für die Ausübung des Rechts auf Kurzberichterstattung kann der Veranstalter das allgemein vorgesehene Eintrittsgeld verlangen; im Übrigen ist ihm Ersatz seiner notwendigen Aufwendungen zu leisten, die durch die Ausübung des Rechts entstehen.

(7) Für die Ausübung des Rechts auf Kurzberichterstattung über berufsmäßig durchgeführte Veranstaltungen kann der Veranstalter ein dem Charakter der Kurzberichterstattung entsprechendes billiges Entgelt verlangen.“

 

Doch wie hoch darf das „billige Entgelt sein? Und was wird, wenn man da keine Einigung erzielen kann? Kann man mit einem Streit über das „billige Entgelt“ gar eine Berichterstattung verhindern?

 

„Wird über die Höhe des Entgelts keine Einigkeit erzielt, soll ein schiedsrichterliches Verfahren nach §§ 1025 ff. der Zivilprozessordnung vereinbart werden. Das Fehlen einer Vereinbarung über

die Höhe des Entgelts oder über die Durchführung eines schiedsrichterlichen Verfahrens steht der Ausübung des Rechts auf Kurzberichterstattung nicht entgegen; dasselbe gilt für einen bereits anhängigen Rechtsstreit über die Höhe des Entgelts.“

 

Kann der Veranstalter oder der Rechteinhaber unter dem Verweis darauf, dass er die Senderechte an einen Sender verkauft hat, die Kurzberichterstattung verhindern?

 

„(11) Trifft der Veranstalter oder der Träger eines Ereignisses eine vertragliche Vereinbarung mit einem Fernsehveranstalter über eine Berichterstattung, hat er dafür Sorge zu tragen, dass mindestens ein anderer Fernsehveranstalter eine Kurzberichterstattung wahrnehmen kann.“

 

Aus der deutschen Gesetzeslage ergibt sich: es gibt kein Recht auf kostenlose Kurzberichterstattung. Können die Kosten somit nicht auch das Recht zur Berichterstattung und damit die Informationsfreiheit einschränken? Kann man so nicht kleine, finanzschwache Sender an die Grenzen ihrer finanziellen Belastbarkeit treiben?

Die Frage, wie hoch die finanzielle Vergütung sein darf, wird demnächst der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheiden.

 

 

Dem ORF wurde erlaubt, über Spiele österreichischer Mannschaften in der Euro League zu berichten, auch wenn die Pay-TV-Rechte bei Sky liegen. Das Kurzberichterstattungsrecht stehe dem ORF zu, so die Regulierungsbehörde KommAustria.  Auf Antrag des ORF hat diese entschieden, dass Sky dem ORF für bestimmte Spiele das Kurzberichterstattungsrecht einräumen müsse. Der ORF schulde Sky lediglich die Erstattung der Kosten des Zugangs zum Satellitensignal, die sich im konkreten Fall auf  0,- Euro beliefen. Das sah Sky anders. Der Bundeskommunikationssenat (Österreich), bei dem der Rechtsstreit anhängig ist, fragte den Europäischen Gerichtshof, ob die Richtlinie einen gerechtfertigten Eingriff in die unternehmerische Freiheit und das Eigentumsrecht der Inhaber von Exklusivrechten darstellt.

 

Artikel 15 der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (RL 2010/13/EU, AVMD-RL) regelt das Kurzberichterstattungsrecht über Ereignisse von großem öffentlichen Interesse.

 

„(1) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass jeder Fernsehveranstalter, der in der Union niedergelassen ist, zum Zwecke der Kurzberichterstattung einen fairen, angemessenen und diskriminierungsfreien Zugang zu Ereignissen hat, die von großem öffentlichen Interesse sind und die von einem der Rechtshoheit der Mitgliedstaaten unterworfenen Fernsehveranstalter exklusiv übertragen werden.

(2) Wenn ein anderer Fernsehveranstalter, der in demselben Mitgliedstaat niedergelassen ist wie der um Zugang ersuchende Fernsehveranstalter, ausschließliche Rechte für das Ereignis von großem Interesse für die Öffentlichkeit erworben hat, muss der Zugang bei diesem Fernsehveranstalter beantragt werden.

(3) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass dieser Zugang garantiert ist, indem sie es den Fernsehveranstaltern erlauben, frei kurze Ausschnitte aus dem Sendesignal des übertragenden Fernsehveranstalters auszuwählen, wobei die Fernsehveranstalter dabei aber zumindest ihre Quelle angeben müssen, sofern dies nicht aus praktischen Gründen unmöglich ist.

(4) Als Alternative zu Absatz 3 kann ein Mitgliedstaat ein gleichwertiges System einrichten, das den Zugang mit anderen Mitteln unter fairen, angemessenen und diskriminierungsfreien Bedingungen ermöglicht.

(5) Kurze Ausschnitte werden ausschließlich für allgemeine Nachrichtensendungen verwendet und dürfen in audiovisuellen Mediendiensten auf Abruf nur verwendet werden, wenn die gleiche Sendung von demselben Mediendiensteanbieter zeitversetzt angeboten wird. (6) Unbeschadet der Absätze 1 bis 5 sorgen die Mitgliedstaaten nach Maßgabe ihres Rechtssystems und im Einklang mit ihren Gepflogenheiten dafür, dass die Modalitäten und Bedingungen für die Bereitstellung solcher kurzen Ausschnitte näher festgelegt werden, insbesondere hinsichtlich etwaiger Kostenerstattungsregelungen, der Höchstlänge der kurzen Ausschnitte und der Fristen für ihre Übertragung. Wird eine Kostenerstattung vorgesehen, so darf sie die unmittelbar mit der Gewährung des Zugangs verbundenen zusätzlichen Kosten nicht übersteigen.“

 

 

Hat ein Fernsehveranstalter Exklusivrechte für solche Ereignisse erworben, muss er anderen Fernsehveranstaltern dennoch das Recht einräumen, für Nachrichtensendungen kurze Ausschnitte des Sendesignals zu übernehmen. Details regeln die Mitgliedstaaten. De facto ist daher das Kurzberichterstattungsrecht (so gut wie) unentgeltlich einzuräumen, da die wirklich entscheidenden Kosten, wie der Erwerb der Exklusivrechte, nicht ganz oder anteilig auf den Kurzberichterstatter „umgelegt“ werden können. Das deutsche Bundesverfassungsgericht sah darin jedoch einen Eingriff in die Berufsfreiheit. Es urteilte im Jahre 1997: „Vorschriften über „Kurzberichterstattung im Fernsehen“ sind im wesentlichen verfassungsgemäß „Unentgeltlichkeit“ verstößt gegen die Berufsfreiheit.“ Das österreichische Bundesverfassungsgericht sah den Gleichheitsgrundsatz verletzt (Urteil 2006).

 

Generalanwalt Yves Bot stellte im Juni seine Schlussanträge beim EuGH (C-283/11 Sky Österreich GmbH). Ausführlich widmet sich Peter Lehofer diesen in seinem Blog.

Es ginge um einen Ausgleich zwischen den Grundrechten der Unternehmen sowie der Informations- und Medienfreiheit. Es dürfe nicht dazu kommen, dass durch den Preis die Berichterstattungsvielfalt eingeschränkt würde. Insbesondere kleine und finanzschwache Sender müssten auch die Chance der Berichterstattung haben. Die Begrenzung der Kostenerstattung sei „das wirksamste Mittel, der Fragmentierung der Informationsverbreitung zwischen den Mitgliedstaaten und je nach der wirtschaftlichen Bedeutung der Fernsehveranstalter vorzubeugen.“ Zudem sei das Recht auf Kurzberichterstattung mehrfach eingeschränkt. Die Ereignisse müssten von „großem öffentlichen Interesse“ sein, die gesendeten Ausschnitte dürften nur für „allgemeine Nachrichtensendungen“ und nur zum Zweck der „Kurzberichterstattung“ verwendet werden.

Wenn der EuGH ihm folgt, dann dürfen in Zukunft Fernsehveranstalter von Fußballspielen Kurzberichte senden, ohne hohe Kosten tragen zu müssen.

 

 

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Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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