„Wer nach Feierabend noch Energie zum Abschalten hat geht vielleicht ins Multiplex, wo ja neuerdings mehr harmlose Zeitgeist-Komödien laufen als im Pantoffelkino. Das Fernsehen, einst magischer Anziehungspunkt für unsere kollektive Aufmerksamkeit, ist zu einem Restzeitmedium geworden, das erst eingeschaltet wird, wenn wir für ALLES andere zu müde, zu zerstreut, zu ausgepowert sind.
Und die Programmplaner, die mit ausgeklügelten Strategien unsere Umschaltimpulse ausmerzen und so den Audience Flow optimieren, tragen zu dieser Entwicklung viel bei. Wer einmal die Glotze eingeschaltet hat, schaltet viel zu spät und mit dem flauen Gefühl ab, seine Restzeit irgendwie verplempert zu haben.
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Aus meiner langjährigen und intensiven Sichtungsarbeit für den Deutschen Fernsehpreis kann ich als Erfahrungswert eines mit Gewissheit sagen: Je anspruchsvoller das Thema, je intensiver die Inszenierung, je besser also das Programm, desto schlechter lässt sich danach einfach weiterschauen. Filme wie „Auslandseinsatz“ über die deutschen Soldaten in Afghanistan, „Herbstkind“ über postpartale Depression oder „Ein Jahr nach morgen“ über Amoktäter verlangen nach dem Abspann eigentlich eine Atempause. Aber auch das Primetime-Programm der ARD ist natürlich auf maximale Verweildauer programmiert.“
Epdmedien, 47/2012, S. 13