Zitiert: ein großes öffentlich-rechtliches Missverständnis

Leider gibt es ein großes öffentlich-rechtliches Missverständnis. Es ist der Glaube, die Hirne und Herzen seien hauptsächlich durch Programme zu erreichen, die sich auf Social Media gut verbreiten, in Mediatheken geklickt werden und so unter die jüngeren Zuschauer kommen. Die Privatsender dagegen haben erkannt, dass sie mit Netflix nicht konkurrieren können, sondern sich davon absetzen müssen. Darum bauen Pro Sieben und RTL aus marktwirtschaftlichen Gründen ihre Information aus, werben Nachrichtenleute ab, senden mehrstündige Dokus über den Pflegenotstand. Sie kopieren das öffentlich-rechtliche Original.

Sind die stolz darauf? Schwer zu sagen, denn vor allem die ARD treibt gerade unter dem Druck der Publikumsüberalterung eine sehr spezielle Form der Selbstzerfleischung. Sie traut ihren eigenen Stärken nicht mehr und verscherbelt Schätze. Der „Weltspiegel“ soll auf den späten Montagabend weichen. Das ist eine Geringschätzung der Arbeit aller Auslandskorrespondenten sondergleichen und der freiwillige Verzicht auf ein Alleinstellungsmerkmal des deutschen öffentlich-rechtlichen Systems: Das ARD-Korrespondentennetz ist eines der bedeutendsten weltweit. Die Politmagazine verlieren an Schlagzahl. Kultur wird abgebaut oder der Verflachung preisgegeben. Klicks sind die neue Quote. Darüber müsste auch in den Aufsichtsgremien heftiger und hörbarer gestritten, gerungen, gekämpft werden.

Claudia Tieschky, sueddeutsche.de, 09.08.2021 (online)

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Zitat der Woche
Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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Auf seinem YouTube-Kanal „Ryan ToysReview“ testet der kleine Amerikaner Ryan seit März 2015 allerhand Spielzeug. Die Beschreibung des erfolgreichen Channels ist simpel: „Rezensionen für Kinderspiele von einem Kind! Folge Ryan dabei, wie er Spielzeug und Kinderspielzeug testet.“ Ryan hat 17 Millionen Abonnenten und verdient 22 Millionen Dollar im Jahr. Berliner Zeitung, 04.12.2018 (online)