Rundfunkbeitrag (II): Mythen in der aktuellen Diskussion um den Rundfunkbeitrag

 

„Es ist das Verdienst der Haushaltsabgabe, dass nun endlich Beitragsgerechtigkeit herrscht“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Arbeitsgruppe Kultur und Medien der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Marco Wanderwitz, der Sachsens und Volljurist ist sowie die Befähigung zum Richteramt hat, dem Tagesspiegel.

 

Allerdings sehen das viele Betroffene, für die sich der Beitrag erhöht bzw. die erstmals zahlen müssen, anders. Für bisherige Radionutzer ist es ungerecht, jetzt den mehr als dreifachen Betrag zu zahlen, obwohl sie das Fernsehen, das in seiner Produktion sechsmal mehr als Radio kostet, nicht nutzen.

Auch für die Menschen mit Behinderungen, die bisher als Nachteilsausgleich befreit waren, ist der „ermäßigte Beitrag“ ein Hohn. Kommunen, die bürgernah sind und viele Außenstellen haben, klagen über den gestiegenen Beitrag. Gleiches ist von Unternehmen mit vielen Filialen, wie z.B. Bäckereien zu hören. Gemeinnützige Vereine und Initiativen wie auch Kitas müssen nun den ermäßigten Beitrag bezahlen. Früher waren sie befreit. Die Gerechtigkeit bezweifeln auch alle die, die über ein Wochenendhaus oder eine Zweitwohnung verfügen. Auch wenn sie nur an einem Ort ARD bzw. ZDF nutzen können. Zahlen müssen sie doppelt. Und gerecht ist es wohl auch nicht, wenn diejenigen, die keinen Rundfunk nutzen wollen, nun 17,98 Euro im Monat zahlen müssen.

 

 

„Erkennbar in der Diskussion um die Verwendung des Geldes ist mittlerweile, dass sich die Politik parteiübergreifend auf einen Meinungskanon zubewegt, wonach der Rundfunkbeitrag gesenkt werden soll“, so der Tagesspiegel. Dies habe „eindeutig Vorrang“, war aus der Bayerischen Staatskanzlei (CSU) zu hören. Auch für Hamburg habe eine Senkung des Rundfunkbeitrags „Priorität“, so ein Sprecher der Senatskanzlei (SPD). Niedersachsen schlug vor, zunächst „überproportional belastete Gruppen“ zu entlasten, wie die Staatskanzlei (SPD) mitteilte. Schließlich ist im Rundfunkstaatsvertrag festgehalten, dass es eine Evaluierung geben soll. „Zwei Jahre nach Inkrafttreten dieses Staatsvertrages ist eine Evaluierung vorgesehen, um festzustellen, ob die

angestrebten Ziele erreicht wurden“, heißt es in der Begründung zum Staatsvertrag. In der Begründung ist aber auch zu lesen: „Die Umwandlung der Finanzierungsform gewährleistet nach derzeitigem Kenntnisstand und auf der Grundlage des vorhandenen Datenmaterials zudem Beitragsstabilität und Aufkommensneutralität. Auch die Aufteilung des Beitragsaufkommens zwischen privatem Bereich und Unternehmen sowie der öffentlichen Hand bleibt grundsätzlich gleich.“ Zudem wurde immer wieder in der Medienpolitik darüber diskutiert, der Sponsoringfreiheit (nach 20 Uhr) die Werbefreiheit folgen zu lassen – um die Unabhängigkeit von ARD und ZDF von kommerziellen Erwägungen zu stärken.

 

Für die Politiker ist es jedoch angenehmer, die Höhe des Beitrags zu reduzieren, als neue bzw. alte  Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Mit dem ersten erreicht man wesentlich mehr Menschen (Wählerinnen und Wähler) als  mit dem zweiten. Allerdings führt man dann den Rundfunkfunkstaatsvertrag ad absurdum. Zudem: Wenn über die Höhe der Beitragsreduzierung gestritten wird, dann braucht man sich grundsätzlichen Fragen wie der Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, seinen Auftrag in Zeiten des Internets sowie der Werbefreiheit nicht zu stellen.

 

Angesichts der derzeit bekannten Fakten kann man folgende Rechnung aufmachen. Bisher hieß es, dass 1 Euro Rundfunkbeitrag ca. 415 Mio. Euro entspricht. Angesichts der jetzt höher generierten Einnahmen kann man davon ausgehen, dass es derzeit ca. 430 Mio. Euro sind.

Es wird derzeit davon ausgegangen, dass es Mehreinnahmen von ca. 1 Mrd. bis 1,15 Mrd. Euro in einem Zeitraum von 4 Jahren gibt. Wenn man diese Mehreinnahmen auf die 4 Beitragsjahre aufgeteilt den Beitragszahlern zurückzahlt, kommt man auf 50 Cent je Beitragszahler.

 

Da die Beitragshöhe erst von der KEF ermittelt und von den Parlamenten umgesetzt werden muss, kann diese Reduzierung nur 2015 und 2016 greifen. Zahlt man die gesamten Mehreinnahmen der 4 Jahre in 2 Jahren zurück, kann man den Beitrag um 1 Euro reduzieren.

 

Dies hat aber zweierlei zur Folge:

Erstens: Zum 1. Januar 2017 muss es bei diesem Modell wieder zu einer Beitragserhöhung von mindestens 50 Cent kommen, da dann die Mehreinnahmen nicht auf zwei sondern auf vier Jahre verteilt werden müssen.

 

Zweitens: Es ist kein Geld da, um in Folge der Evaluierung Ungerechtigkeiten zu beseitigen, wie es die Ministerpräsidenten versprochen haben –  da die KEF den Sendern im letzten Bericht noch einen Finanzbedarf von 304 Mio. Euro für 2013 bis 2016 zuerkannt hatte, der aufgrund der Unwägbarkeiten der Einnahmen und vor dem Ziel der Beitragsstabilität nicht ausgeglichen wurde. Um den Beitrag um 1 Euro zu reduzieren sowie den von der KEF festgestellten Fehlbedarf auszugleichen, müssten die Mehreinahmen also bei über 1,15 Mrd. Euro liegen.

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Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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