Die Kontrollgremien von ARD und ZDF in der Diskussion

 

„Chancen und Grenzen der Kontrollgremien im öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem“ lautete der Titel der Diskussionsrunde, zu der die Otto-Brenner-Stiftung eingeladen hatte. In seiner Einführung gab Jupp Legrand, der Geschäftsführer der Stiftung, der Diskussion Fragen mit auf den Weg.

 

Was müsse der Gesetzgeber bei der Zusammensetzung der Gremien ändern?

Was sollen die Sender ändern, damit die Gredmien effektuver arbeiten können?

Was sollen und können die entsendenden Organisationen machen, um ihre Gremienmitgliieder zu professionalisieren?

Wie müssen sich die Gremienaufstellen, damit sie qualifizierten und glaubwüriger sind?

 

Was können die Öffentlichkeit sowie die Medienkritik leisten?

 

 

Das waren ganz schön viele Fragen für zwei Stunden und fünf – mit dem Autor der Gremienstudie, Fritz Wolf, sogar sechs Diskussionsteilnehmern – , zumal der Moderator, Jürgen Zurheide, erst einmal alle nacheinander ins Einzelgespräch holte. Ein Diskussionsteilnehmer, Nikolaus Brender hatte abgesagt – er wolle das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht nicht mit öffentlichen Äußerungen beeinflussen.

Fritz Wolf durfte zu Beginn noch einmal ein Fazit seiner Gremienstudie ziehen. Er habe insbesondere den Gremien viele „kleine“ Veränderungen vorgeschlagen: Öffentlichkeit der Sitzungen, höherer Frauenanteil, Weiterbildung und Qualifizierung etc. Damit wolle er einen Mentalitätswandel der Rundfunkräte befördern, die sich „mit dem Gesicht der Öffentlichkeit zuwenden“ sollten. Sie sollten sie sich als Vertreter der Allgemeinheit, der Gesellschaft verstehen und nicht als Verteidiger ihrer Sender. Zudem verweis er darauf, dass es die Politik geschafft habe, den Begriff der „Staatsfreiheit“ durch den Begriff der „Staatsferne“ zu ersetzen. Dadurch hätten sie den Schwerpunkt der politischen Debatte verschoben. Nunmehr werde vor allem über Quoten von Staatsvertretern in den Gremien diskutiert und nicht darüber, ob diese überhaupt in den Gremien Sitz und Stimme haben dürfen.

Prof. Hubertus Gersdorf, der an der Universität Rostock die Gerd-Bucerius-Stiftungsprofessur fürt Kommunikationsrecht innehat, vertiefte dies. Er verwies darauf, dass für ihn auch Parlamentsabgeordnete zum staatlichen Bereich gehörten. Schließlich würden sie als gesetzgebende Gewalt über die Rundfunkstaatsverträge und somit über den Spielraum der Sender mitentscheiden. Nach seinem Rechtsverständnis dürfe ein Abgeordneter nicht Mitglied eines Gremium eines Senders sein, über dessen Rahmenbedingungen er dann im Parlament entscheide. So werde der durch die „Medien zu Kontrollierende“ wiederum „zum Kontrolleur des Kontrolleurs“. Auf den Punkt gebracht meinte er: „Der, der kontrolliert, darf nicht durch den zu Kontrollierenden kontrolliert werden.“ Dies sei aus seiner Sicht mit der Staatsfreiheit nicht zu vereinbaren. (Hinweis d.A.: Im MDR-Staatsvertrag ist geregelt, dass Vertreter gesellschaftlich-relevanter Gruppen den Rundfunkrat verlassen müssen, wenn sie Mitglied des Landtages oder Bundestages werden. Nur Parteienvertreter dürfen auch Parlamentsabgeordnete sein. Dies zeigt, dass Abgeordnete einen besonderen Status haben.) In die Staatsverträge müsse deshalb eine Unvereinbarkeitsklausel für Regierungsvertreter und Parlamentsabgeordnete aufgenommen werden. Der Moderator des Gesprächs, Jürgen Zurheide, stellte zwischendurch einmal fest, dass auch beim Deutschlandfunk, für den er arbeite, eine hohe Staatsquote in den Gremien herrsche.

DGB-Vorsitzender Michael Sommer erzählte zum einen Geschichten wie es im ZDF-Fernsehrat und in den Freundeskreisen zugehen würde. Zum anderen machte er deutlich, warum man sich den Freundeskreisen anschließen müsse. Dass würden sogar GRÜNE und LINKE machen. (Hinweis d.A.: Gesine Lötzsch, die für die LINKE im ZDF-Fernsehrat sitzt, ist nach eigener Auskunft in keinem Freundeskreis.) Die Freundeskreise seien ein Machtinstrument. So könne man Entscheidungen im Fernsehrat beeinflussen wie man auch die Möglichkeit habe, Posten im ZDF-Fernsehrat zu erhalten. Wenn man in einen bestimmten Ausschuss wolle, dann müsse man sich zuerst im Freundeskreis durchsetzen und dann der Wahl im Gremium stellen. Allein hätte man keine Chance, sich durchzusetzen. (Allerdings sind die Freundeskreise weder im Staatsvertrag noch n der Satzung des ZDF geregelt.)


Seine Erfahrung sei, dass der Staatseinfluss beim ZDF beherrschend sei – auch durch die Staatskanzleien. Vor allem die Vertreter der Staatskanzleien versuchten von Sitzung zu Sitzung ihre Interessen zu artikulieren. Und das ZDF würde als Anstalt der Länder auch die Interessen der Länder berücksichtigen.


Nebenbei erzählte er, dass die „Rechten“ versuchen, Frontal 21 totzumachen, indem sie es mit Programmbeschwerden überziehen. Außerdem würde Programmpolitik im Interesse der Kirchen gemacht. Dies beweise immer wieder der RBB, dessen Programmdirektorin Claudia Nothelle, so Michael Sommer, „Rundfunkbeauftragte der Katholischen Kirche“ sei, so dass es ihn nicht wundere, dass im RBB Vertreter der Katholischen Kirche öfter zu sehen seien als Arbeitnehmervertreter. (Die taz hatte Claudia Nothelles Rolle vor einem halben Jahr etwas anders beschrieben.)

Die WDR-Rundfunkratsvorsitzende Ruth Hieronymi verwies darauf, dass sich die Sender vor allem durch ihr Programm legitimieren müssten. Die Gremien könnten sie nur zusätzlich begleiten und für weitere Öffentlichkeit sorgen. Sie verwies darauf, dass es sowohl bei den Sendern, den Gremien, in der Politik wie auch den entsendenden Organisationen Veränderungen geben müsse. Beim WDR, so Ruth Hieronymi, gebe es keine Freundeskreise. Sie verstehe sich als Vertreterin des Gremiums, nicht des Senders.

Kurt Beck, dessen Landesregierung die Klage gegen den ZDF-Staatsvertrag vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht hatte, befürwortete die Idee, eines „Rates der Weisen“, der alle 10 Jahre Vorschläge für eine neue Zusammensetzung der Gremien macht. Dass sich da etwas ändern muss war nicht der einzige Punkt, bei dem er sich mit Tabea Rösner einig war.

Gerade Tabea Rösner hatte mit ihren Initiativen die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht immer wieder befördert – nur, dass die Grünen nicht klageberechtigt waren. Denn klageberechtigt ist nicht jeder. Im Bundestag fehlten ihr für eine Verfassungsbeschwerde 12 Stimmen. Doch die SPD war nicht bereit, der Initiative von Grünen und LINKE beizutreten. Sie wollte dem damaligen Ministerpräsidenten Kurt Beck, der zugleich Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder war, die Federführung überlassen. Dieser erzählte dann, dass er sich mit Roland Koch über eine Novellierung des ZDF-Staatsvertrages schon einig war. Doch diese scheiterte dann am Widerstand anderer CDU-Ministerpräsidenten.

Natürlich wurden auch alle darauf befragt, welches Urteil sie vom Bundesverfassungsgericht erwarten. Doch davon einmal abgesehen, wurden weitere entscheidende Fragen nicht gestellt:

Warum verhalten sich Gremienmitglieder bisher so wie sie sich verhalten? Warum sollen sie ihr Verhalten ändern? Wie sollen sie also zu ihrem verändernden Bewusstsein kommen?

Braucht der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine Legitimitation in der Bevölkerung? Ist er nicht verfassungsrechtlich (Urteile des Bundesverfassungsgerichts) und finanziell (Urteile zur PC-Gebühr)  sowie politisch (durch die Ministerpräsidenten) abgesichert? (Jeder MP braucht seine Sender, da er sonst kaum in der Öffentlichkeit vorkommt.)


Ja, unter welchen Bedingungen könnten das Bundesverfassungsgericht – nach einer entsprechenden Klage (und wer wäre dann klageberechtigt) – und die Ministerpräsidenten den Sender die gesetzliche Grundlage entziehen und damit seine Existenz gefährden? Wenn es eine solche Möglichkeit nicht gibt – warum soll sich dann Wesentliches bei den Sendern ändern?

 

Und aktuell: In welchen Fragen gibt es in der Problembeschreibung sowie in den Lösungsvorschlägen eine Übereinstimmung zwischen allen 16 Ministerpräsidenten Bundesländern, da doch die Übereinstimmung der Länder Voraussetzung ist, um einen Staatsvertrag zu ändern? Dies gilt übrigens auch für alle weiteren Empfehlungen des Bundesverfassungsgerichts.

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Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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